Viele Fallstricke bei Umsatzsteuerfreiheit für Geschäftsveräußerung im Ganzen
Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Kommt es hierbei zu einer falschen Beurteilung, führt dies zu einem enormen Berichtigungsaufwand und kann sowohl den Veräußerer als auch den Erwerber teuer zu stehen kommen. Die Fälle der Übertragung von ganzen Unternehmen, Teilbetrieben oder Grundstücken sollten daher in der Praxis sehr sorgfältig geprüft werden.
Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Das klingt einfach und unproblematisch, führt aber in der Praxis immer wieder zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt.
Der Erwerber hat im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen keinen Vorsteueranspruch. Er tritt an die Stelle des Veräußerers und übernimmt im Hinblick auf die Vorsteuerberichtigung die Stellung des Verkäufers. Ihn trifft deshalb gegebenenfalls später die Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs (zum Beispiel bei Nutzungsänderungen). Im Ergebnis stellt eine Geschäftsveräußerung somit eine umsatzsteuerliche Einzelrechtsnachfolge dar.
Gefahren bei nicht erkannter Geschäftsveräußerung im Ganzen
Die Umsatzsteuerfalle besteht hier darin, dass der Erwerber die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen darf. Er muss daher die fälschlicherweise geltend gemachte Vorsteuer zurückzahlen. Das ändert aber nichts daran, dass der Aussteller der Rechnung die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet. Eine Berichtigung ist für den Verkäufer zwar möglich. Beim Erwerber kann aber die Vollverzinsung der geltend gemachten Vorsteuer – je nach Dauer des Zinslaufs und der Höhe des zu verzinsenden Betrags – zu enormen Kosten führen.
Gefahren bei irrtümlich angenommener Geschäftsveräußerung im Ganzen
Auch der umgekehrte Fall ist aber problematisch, wenn also keine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, der Vorgang aber von der Finanzbehörde als steuerbar beurteilt wird.
Tipp: Es bietet sich an, in den Kaufvertrag eine Regelung aufzunehmen, wonach die Umsatzsteuer vom Erwerber zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis zu tragen ist, wenn die Finanzverwaltung keine Geschäftsveräußerung im Ganzen, sondern ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft annimmt. Sofern es sich bei den Vertragsbeteiligten um Unternehmen handelt, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, tritt dadurch – wirtschaftlich betrachtet – keine Mehrbelastung ein. Ist der Erwerber zum Zeitpunkt der Nacherhebung der Umsatzsteuer allerdings nicht leistungsfähig, bleibt der Veräußerer auf der Umsatzsteuer sitzen, wenn er sie nicht auf den Erwerber überwälzen kann.
Zuweilen liest man den Ratschlag für Veräußerer, sich den Vorsteuererstattungsanspruch des Erwerbers gegen die Finanzverwaltung abtreten zu lassen. Dies führt jedoch nur dann zu dem gewünschten wirtschaftlichen Ergebnis, wenn die Finanzverwaltung ihrerseits keine Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gegen den Erwerber hat. Das ist aber regelmäßig der Fall, wenn sich der Erwerber bereits in der Krise befindet und Steuerrückstände aufgelaufen sind.
Tipp: Eine Patentlösung gibt es nicht. Die Übertragung von ganzen Unternehmen, von Teilbetrieben oder Grundstücken sollte in der Praxis daher sehr sorgfältig von einem versierten Berater vorbereitet werden.
Grundvoraussetzungen für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen
Es muss ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb übertragen werden. Auch die Übertragung von vermieteten Grundstücken kann begünstigt sein.
Die Übertragung muss im Ganzen erfolgen. Alle wesentlichen Grundlagen des Unternehmens müssen übereignet werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung gibt es eine weitere wichtige Voraussetzung, die so nicht im Gesetz steht. Der Erwerber muss beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder den Unternehmensteil weiter zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit.
Erforderliche Fortführung des Unternehmens durch den Erwerber
Hat der Erwerber die Absicht, den Betrieb sofort aufzugeben, handelt es sich nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen. Die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten müssen übereinstimmen oder sich zumindest hinreichend ähneln. Der Erwerber muss aber das Unternehmen nicht unverändert weiterführen. Er kann den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändern oder modernisieren, zum Beispiel aus betriebswirtschaftlichen oder aus kaufmännischen Gründen.
Tipp: Es ist nicht erforderlich, dass der Verkäufer sein gesamtes Unternehmensvermögen auf den Erwerber überträgt. Entscheidend ist vielmehr, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ohne nennenswerte finanzielle Investitionen die Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen.
Die übertragenen Vermögensgegenstände müssen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Das heißt im Klartext: Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung ist auch dann anzunehmen, wenn unwesentliche Wirtschaftsgüter ausgenommen sind.
Tipp: Eine Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht an den Erwerber veräußert, sondern vermietet oder verpachtet werden. Voraussetzung ist jedoch auch in diesem Fall, dass die dauerhafte Fortführung des Unternehmens durch den Erwerber gewährleistet ist. Eine langfristige Vermietung reicht hierfür aus.
Besonderheiten bei der Veräußerung von Teilbetrieben
Auch die Veräußerung eines gesondert geführten Teilbetriebs ist nicht steuerbar. Voraussetzung ist aber, dass es sich um einen wirtschaftlich selbständigen Teilbetrieb handelt. Der veräußerte Teil des Unternehmens muss einen für sich lebensfähigen Organismus bilden. Dieser muss unabhängig von den anderen Geschäften des Unternehmers nach Art eines selbständigen Unternehmens betrieben worden sein. Der Teilbetrieb muss sich nach außen hin als selbständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde darstellen.
Tipp: Für die Frage. ob ein gesondert geführter Teilbetrieb vorliegt, kommt es ausschließlich auf die Verhältnisse beim Veräußerer an. Keine Rolle spielt es, ob auch beim Erwerber ein gesondert geführter Teilbetrieb vorliegt.
Indizien für einen gesondert geführten Teilbetrieb sind beispielsweise: eine räumliche und organisatorische Trennung, eigenes Anlagevermögen sowie eigenes Personal, eine gesonderte Buchführung, ein eigener Kundenstamm und eigene Lieferanten.
Tipp: Es gibt eine wichtige Vereinfachungsregelung. Ist bei der Einkommensteuer eine Teilbetriebsveräußerung zu bejahen, kann auch bei der Umsatzsteuer von der Veräußerung eines gesondert geführten Teilbetriebs ausgegangen werden. Im umgekehrten Fall ist hingegen nicht automatisch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu verneinen. Liegt einkommensteuerlich keine Teilbetriebsveräußerung vor, ist vielmehr für Zwecke der Umsatzsteuer zu prüfen, ob der übertragene Teilbetrieb dem Erwerber ohne größeren finanziellen Aufwand die Fortführung des Betriebs ermöglicht.
Besonderheiten bei der Übertragung von Immobilien
Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder eines verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird. Wird nur eines von mehreren vermieteten Gebäuden verkauft, liegt regelmäßig ein gesondert geführter Teilbetrieb vor.
Das kann auch dann der Fall sei, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat. Voraussetzung ist, dass im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird. Eine anfängliche, weiter bestehende und dem Unternehmenszweck entsprechende Absicht eines Bauträgers, das Objekt wieder zu verkaufen, steht einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit nicht zwingend entgegen.
Tipp: Eine nachhaltige Vermietungstätigkeit ist widerlegbar anzunehmen, wenn die Vermietungsdauer mindestens sechs Monate betragen hat.
Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt hinsichtlich eines Bauträgers als Veräußerer vor, wenn die unternehmerische Tätigkeit des veräußernden Bauträgers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter oder Pächter für die einzelnen Einheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung aufgrund bereits erfolgter Vermietung ertragssteigernd zu veräußern.
Tipp: Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung ist nicht entscheidend, ob das Objekt bilanzsteuerrechtlich dem Umlaufvermögen oder dem Anlagevermögen zuzuordnen ist.
Die Lieferung eines weder vermieteten noch verpachteten Grundstücks ist im Regelfall keine Geschäftsveräußerung. Das gilt auch dann, wenn die Immobilie bis zum Übertragungszeitpunkt vermietet war und der Erwerber alsbald einen neuen Mieter findet.
Tipp: Wird eine Geschäftsveräußerung im Ganzen angestrebt, sollte der Grundstücksverkäufer nach Auslaufen der Mietverhältnisse noch die Neuvermietung vornehmen. Tritt der Erwerber dann in die neuen Mietverträge ein, steht einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung nichts im Wege.
Wird ein Mietgebäude an den bisherigen Mieter verkauft, der darin sein Unternehmen betreibt, liegt keine Geschäftsveräußerung vor, da der Erwerber das Vermietungsunternehmen des Veräußerers nicht fortführt.
Tipp: In Zweifelsfällen ist bei Betriebsveräußerungen und bei Grundstücksübertragungen eine verbindliche Auskunft bei dem örtlich zuständigen Finanzamt ratsam.
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Köln
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