Bei einem Auffahrunfall in einer Motorradkolonne kann eine Haftungsteilung von 50 Prozent angemessen sein.
Das hat das Amtsgericht Kelheim in einem Urteil entschieden (Aktenzeichen: 2 C 134/07): Die beiden verunfallten Beteiligten machten mit weiteren Personen einen Motorradausflug. Man hatte abgesprochen, als Motorradkolonne zu fahren, wobei der Nachfolgende jeweils nach rechts beziehungsweise links versetzt hinter dem Vorausfahrenden gefahren ist. Der Abstand zwischen den beteiligten Motorrädern lag bei etwa 15 Metern. Der vorausfahrende Motorradfahrer, der links zur Straßenmitte hin fuhr, wollte am rechten Fahrbahnrand anhalten und zog mit seinem Motorrad nach rechts. Hiebei kam es mit dem rechtsversetzt nachfolgenden Motorradfahrer zur Kollision. Anlass für das Nach-Rechts-Ziehen des Motorrades war, dass der Vorausfahrende einen weiteren Teilnehmer des Motorradausfluges, der sich an einer Tankstelle aufhielt, gesehen hatte. Ursprünglich wollte man diesen zu Hause abholen.
Unstreitig hatte der vorausfahrende Motorradfahrer vor dem Nach-Rechts-Ziehen geblinkt. Anzulasten war ihm allerdings, dass er sein Fahrzeug überraschend und ohne zwingenden Grund verlangsamt hat.
Sind bei einem Verkehrsunfall mehrere Fahrzeuge beteiligt, ist für den Umfang der Ersatzpflicht im Verhältnis der Fahrzeughalter beziehungsweise -fahrer untereinander der jeweilige Verursachungsbeitrag maßgeblich. Abwägungskriterien sind die jeweilige, abstrakte Betriebsgefahr der unfallbeteiligten Fahrzeuge sowie eine Erhöhung der Betriebsgefahr durch verkehrswidriges oder schuldhaftes Verhalten. Hierbei trifft den Geschädigten die Beweislast, dass auf der Gegenseite ein verkehrswidriges oder schuldhaftes Verhalten bestanden hat.
Zu Lasten des auffahrenden Motorrades spricht zunächst der Beweis des ersten Anscheins für eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. In diesem Fall war es die Nichteinhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes respektive die nötige Aufmerksamkeit. Auch bei einem vorab verabredeten, versetzten Fahren in einer Motorradkolonne darf der versetzt nachfahrende Motorradfahrer nicht blindlings darauf vertrauen, dass der Vorausfahrende seine Fahrspur einhalten wird. Er muss vielmehr damit rechnen, dass der Vordermann auf Grund eines Ausweichmanövers oder ähnlichem gezwungen sein kann, seine Spur zu verlassen.
Der zwischen den Beteiligten vorhandene Abstand von etwa 15 Metern erfüllt diese Voraussetzungen nicht oder nicht ausreichend. Die zum Unfallzeitpunkt gefahrene Geschwindigkeit betrug nach Angaben der Beteiligten circa 50 bis 60 km/h. Hieraus ermittelte der Sachverständige einen 1-Sekunden-Abstand von 14 bis 16,5 Metern. Bei optimaler Reaktion und einer Vollbremsung hätte möglicherweise schon bei 15 m Abstand der Unfall verhindert werden können. Der ausreichende Sicherheitsabstand hätte aus rechtlicher Sicht allerdings mindestens 21 bis 24,75 Meter betragen.
Zu Lasten des Auffahrenden war des weiteren die Tatsache zu berücksichtigen, dass auch er kurzfristig durch den in der Tankstelle befindlichen Mitfahrer abgelenkt war. In diesem Moment wurde in der Motorradkolonne nicht ausreichend auf den Vorausfahrenden geachtet.
Der Vorausfahrende muss sich aber ebenfalls den Vorwurf entgegenhalten lassen, sich auf Grund des an der Tankstelle befindlichen Mitfahrers fehlerhaft verhalten zu haben. Durch den kombinierten Bremsvorgang und Spurwechsel, der nur auf Grund des gesichteten Mitfahrers erfolgte, liegt kein zwingender Grund zum Anhalten vor. Der Bremsvorgang diente somit nicht dem Zweck, eine Gefährdung für sich oder andere abzuwenden. Ferner erfolgte das Herüberziehen des Motorrades nicht langsam, sondern schnell und unvermittelt.
Dieser hätte einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und wäre bremsbereit und aufmerksam gefahren. Damit lag aber kein unabwendbares Ereignis für den nachfahrenden Fahrer der Motorradkolonne vor.
Die Betriebsgefahr ist, da auf beiden Seiten Motorräder beteiligt waren, als gleichwertig einzustufen. Gleiches gilt für die Verursachungsanteile, die das Gericht auf Grund der Zeugenaussagen und des Sachverständigen als gleich schwer beurteilt hat. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass zuvor verabredet war, in der Kolonne versetzt zu fahren. Hieraus resultiert für die beteiligten Fahrer die Pflicht, diesen Vorsatz nicht grundlos und überraschend aufzugeben.
Der am Verfahren ebenfalls beteiligte Haftpflichtversicherer hat von einer Berufung Abstand genommen, da dies für nicht erfolgsversprechend eingestuft wurde.
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