Mängelbeseitigung
Wer sich ein Haus bauen lässt, wirft natürlich ab und zu einen Blick auf die Baustelle und kann zu jeder Zeit eine Mängelbeseitigung einfordern.
Das geht aber nur, wenn im Vertrag die VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B) vereinbart wurde. Ist dies nicht der Fall, hat es der Bauunternehmer leicht, den Bauherrn darauf hinzuweisen, dass für die Mängelbeseitigung noch Zeit bis zur Abnahme des Baus sei. Vor der Bauabnahme oder dem Ablauf einer Fertigstellungsfríst bestünden für den Bauherrn keinerlei Ansprüche auf Mängelbeseitigung.
In den VOB/B ist festgelegt, dass Bauherren für die Mängelbeseitigung vor der Abnahme eine Frist setzen können, nach derem Ablauf ein Drittunternehmer mit der Mängelbeseitigung beauftragt werden kann - auf Kosten des ursprünglich mit dem Bau beauftragten Unternehmers. Um dem Bauherrn die Bezahlung dieses Drittunternehmers zu ermöglichen, muss der Unternehmer sogar die voraussichtlich notwendigen Kosten auf Verlangen vorstrecken.
Wenn aber die VOB/B nicht Vertragsbestandteil geworden ist, läuft der Bauherr mit seinem Anspruch auf Mängelbeseitigung vorerst ins Leere.
Der Bauunternehmer hat anscheinend Recht. Er kann den Bauherrn zunächst auf den Termin der Fertigstellung verweisen. Der Grund dafür liegt im reformierten Schuldrecht, das seit 2002 in Kraft ist. Alle Bauverträge, die nach dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden und in denen die Geltung der VOB/B nicht vereinbart wurde, richten sich ausschließlich nach den Neuregelungen des Bürgerliches Gesetzbuches (BGB), die in den Vorschriften über Werkverträge Ansprüche auf Mängelbeseitigung - mit der Möglichkeit einer Fristsetzung - vor Werkabnahme nicht beinhalten. Müssen bis zur Abnahme Bauherren also zusehen, wie auf ihrem Grundstück unverändert weitergebaut wird - und sich der Mangel mit dem fortschreitendem Bau beginnt „festzusetzen“? Das Gesetz scheint hier die „Häusle-Bauer“ unangemessen zu benachteiligen.
Das Oberlandesgericht Koblenz legt das Gesetz jetzt aber zu Gunsten der Bauherren aus. Zur Begründung verweist das Gericht auf einen Paragrafen des BGB, der allgemein für alle Schuldverhältnisse gilt: § 280 Absatz 1 Satz 1. Die in dieser Vorschrift normierten Nebenpflichten, an die sich alle Vertragsbeteiligten halten müssen und die sich zumeist aus dem gegenseitigen Vertrauen ableiten lassen, können auch bei Werkverträgen zu einer Pflicht auf Mängelbeseitigung schon vor der Fertigstellung führen. Bei Werkverträgen sei eine Mängelbeseitigung in Bezug auf Fehler, die sich auf den Weiterbau auswirken können, auch zeitlich geboten und deshalb im Interesse der Vertragsbeteiligten als eine Nebenpflicht anzusehen.
Im konkreten Fall bestand die Pflicht darin, die im Keller und bei der Bodenplatte vorliegenden Fehler auszugleichen.
Der Bau hatte im Frühjahr begonnen. Eine zeitnahe Mängelbeseitigung sei geboten gewesen, um vor dem Einbruch der kalten Jahreszeit einen winterfesten Rohbau herstellen zu können. Für diese Auffassung spreche auch eine weitere Vorschrift, die allgemein für alle Vertragsverhältnisse gilt: Nach § 323 Abs. 4 BGB kann nämlich schon vor Fälligkeit von einem Vertrag zurückgetreten werden, sobald die Voraussetzungen für einen Rücktritt erkennbar werden. Wenn es einem Bauherrn aufgrund von diversen Mängeln nicht mehr zumutbar sei, an dem Vertrag festzuhalten, stehe einem Bauherr dieses Recht zu - auch wenn die Neuregelungen des Schuldrechts beim Werkvertrag eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung explizit nicht vorsehen.
Über den Autor
Brabanter Straße 53
50672
Köln
Das könnte Sie auch interessieren:
-
-
-
Möchten Sie Ihr Traumhaus gemeinsam mit einem Architekten verwirklichen? Bitte nicht ohne Architektenvertrag. Lesen Sie hier nach, worauf Sie beim Abschluss des Vertrages achten sollten!
Weiterlesen
-
Die von der HOAI mit umfasste gesetzliche Mindestvergütung darf nur in absoluten Ausnahmefällen unterschritten werden.
Weiterlesen
-
"Barrierefrei" - Zusagen des Bauunternehmers beim Wohnungsbau.
Weiterlesen
-
Derzeit gibt es in Deutschland über 100.000 Standorte für Mobilfunkanlagen.
Weiterlesen
-
Kann die Gemeinde den Bau von Mobilfunkanlagen baurechtlich verhindern?
Weiterlesen
-
Haftung des Architekten, wenn eine ausreichende Dokumentation fehlt.
Weiterlesen
-
Holzschutz wird durch moderne Baumethoden und ökologische Baumaterialien ein immer wichtigeres Thema.
Weiterlesen
-
Spezialisierte Fachbetriebe bieten als Alternative zum Austausch der Trinkwasserleitung die Innenrohrsanierung.
Weiterlesen
-
Der Verarbeiter von textilen Bodenbelägen für einen Klimaboden muss spezifische Gegebenheiten berücksichtigen.
Weiterlesen
-
Fugenbildungen bei Teppichfliesen und deren Ursache.
Weiterlesen
-
Ist Klimaboden eine Modeerscheinung oder ein System der Zukunft?
Weiterlesen
-
In Streit stehen die gegenseitigen Pflichten aus dem Vertrag, der den Erwerb und die Montage einer Einbauküche zum Gegenstand hat.
Weiterlesen
-
Die förmliche Bauabnahme – Einsatz von Bausachverständigen.
Weiterlesen
-
Mängelgewährleistung versus Sicherheitsleistung im privaten Baurecht.
Weiterlesen
-
Erstattung von Werklohn im Dreiecksverhältnis.
Weiterlesen
-
Ein Blockheizkraftwerk ist eine modular aufgebaute Anlage zur Gewinnung elektrischer Energie und Wärme.
Weiterlesen
-
Überblick über die Mängelhaftung im Werkvertragsrecht.
Weiterlesen
-
Das Schreckgespenst eines jeden Eigentümers sind Altlasten, denn hinter diesem simplen Begriff steht das Risiko, dass der Boden verseucht sein könnte.
Weiterlesen
-
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit dem Erstattungsanspruch im Werkvertragsrecht beschäftigt, wenn Fremdunternehmen die Nachbesserung übernehmen.
Weiterlesen
-
Immer wieder kommt es vor, dass schon vor einem formellen Rechtsstreit (vom Bauherrn) ein so genanntes Privatgutachten in Auftrag gegeben wird.
Weiterlesen
-
Die Abnahme von Baumaßnahmen ist der Dreh- und Angelpunkt aller Gewährleistungsansprüche des Bauherrn.
Weiterlesen
-
Streitpunkt Lüften: Vom „Einwohnen" und richtigem Lüftungs- und Heizverhalten.
Weiterlesen
-
Neue Rechte beim Kauf von Baumaterial im Baumarkt.
Weiterlesen
-
Zur Vollmacht eines Verhandlungsführers im Termin zur Erstellung eines Verhandlungsprotokolls nach Abschluss eines Bauvertrages.
Weiterlesen
-
Ein Betonfertigteillieferant beliefert einen Empfänger von Baugeld mit Fertigteilplatten, die dieser in seinem Bauvorhaben einbaut.
Weiterlesen
-
Eine Reihenhausanlage in Berlin steht mit weiteren Häusern der Siedlung unter Denkmalschutz, der sich auf die Spitzdächer bezieht.
Weiterlesen
-
Nicht wenige Häuslebauer finanzieren ihren Traum vom Eigenheim auch mit der Eigenleistung, der so genannten Muskelhypothek.
Weiterlesen
-
Der Bauherr hat das Recht auf eine mangelfreie Immobilie.
Weiterlesen
-
Nicht jeder darf im Verzeichnis aller Grundstücke (Grundbuch) alle beliebigen Daten einsehen.
Weiterlesen
-
Baufirmen sollten eine Bürgschaft beziehungsweise Sicherheiten vertraglich regeln.
Weiterlesen
-
Fertighausanbieter dürfen von ihren Kunden vor Baubeginn eine Bankbürgschaft über den endgültigen Kaufpreis verlangen, soweit dies im Bauvertrag geregelt ist.
Weiterlesen
-
Die Mosaikkunst florierte immer in bestimmten Zeiträumen, daher ist die Entwicklung nicht lückenlos nachvollziehbar.
Weiterlesen
-
Die Abnahme zieht einige wichtige Rechtsfolgen nach sich. Daher ist sie ein zentraler Punkt im Werkvertragsrecht.
Weiterlesen
-
Ein Baumangel alleine ist kein Indiz für ein Organisationsverschulden.
Weiterlesen
-
Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen im hängen gebliebenen Architektenvertrag.
Weiterlesen
-
Eine Vereinbarung, wonach der Pauschalpreis auch den über die detaillierte Leistungsbeschreibung hinausgehenden Leistungsumfang abgelten soll, ist möglich.
Weiterlesen
-
Das Erschließungsbeitragsrecht ist in der Praxis für Grundstückseigentümer aber auch am Erwerb eines Grundstücks Interessierter immer wieder wesentlicher ...
Weiterlesen
-
Bestandsschutz von baulichen Anlagen und Baumaßnahmen bei Änderungen in der Bauordnung.
Weiterlesen
-
Alle reden davon, dass Bauen preiswerter werden muss, Bauberater unterstützen Sie dabei.
Weiterlesen
-
Auf manchen Anlieger kommen mit dem Bescheid über Erschließungsbeiträge hohe Kosten zu. Im Einzelfall kann sich eine Überprüfung durchaus lohnen.
Weiterlesen