Was ändert sich beim Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter? - Gesetzgeber passt die Abfindungsregel den europäischen Vorgaben an.
Im Unterschied zum Arbeitnehmer hat der Handelsvertreter einen gesetzlichen Abfindungsanspruch für den Fall, dass ihm der Unternehmer ordentlich kündigt. Dieser Ausgleichsanspruch zugunsten des Handelsvertreters gemäß § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) enthält zur Berechnung der Ausgleichshöhe jedoch nur Orientierungshilfen. Der Bundesgerichtshof hat daher in Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung mittlerweile allseits anerkannte Berechnungsmodelle geschaffen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht ein Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter nur für Geschäftsverbindungen mit Mehrfachkunden (Stammkunden), die der Handelsvertreter neu geworben oder die zuvor bestehende Geschäftsverbindung wesentlich erweitert hat. Falls es Streit um den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gibt, muss er also weiterhin in einem ersten Schritt darlegen und nachweisen, welche Kunden er für den Unternehmer neu geworben oder intensiviert hat und mit welchen es zu weiteren Geschäften gekommen ist. Nur dann kann auf dieser Grundlage seitens des Gerichts abgeschätzt werden, dass in einem überschaubaren, in seiner Abwicklung noch abschätzbaren Zeitraum weitere Geschäfte für den Unternehmer zu erwarten sind.
Innerhalb der Rechtsprechung sind Einzelfragen hierzu umstritten. Einigkeit besteht allerdings dahingehend, dass sich der Abfindungsanspruch des Handelsvertreters daran zu orientieren habe, welchen Gewinn der Unternehmer zukünftig mit den von ihm vermittelten Neukunden beziehungsweise intensivierten Altkunden erwirtschaften kann. Dieser Ausgleichsanspruch wurde vom Gesetzgeber immer darauf begrenzt, was der Handelsvertreter aufgrund der Beendigung seiner Tätigkeit an voraussichtlichen Provisionsverlusten erleiden werde.
In einem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg stellten die dortigen Richter fest, dass diese gesetzliche Regelung des § 89b I HGB von dem Wortlaut der Europäischen Handelsvertreter-Richtlinie abweicht und haben diese Frage daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt. Mit seinem Urteil vom 26. März 2009 hat der EuGH festgestellt, dass die Begrenzung des Ausgleichsanspruchs auf die Summe der ausgleichfähigen Provisionsverluste unzulässig ist. Damit ist die Regelung des deutschen Gesetzgebers für unzulässig erklärt worden. In diesem Fall reagierte der deutsche Gesetzgeber recht schnell und hat das HGB mit Wirkung vom 5. August 2009 dem Wortlaut der Europäischen Handelsvertreter-Richtlinie angepasst.
Zur Feststellung der Höhe des Ausgleichsanspruchs sind weiterhin so genannte Billigkeitsgesichtspunkte heran zu ziehen. Nunmehr steht es aber so, dass dem Handelsvertreter auch über seinen voraussichtlichen Provisionseinnahmeverlust hinaus eine Abfindung gewährt werden kann. Dafür muss er allerdings nachweisen, dass die Unternehmervorteile aus den vermittelten Kunden ausnahmsweise höher zu bewerten sind, als seine Provisionsverluste.
Im Ergebnis stärkt die Europäische Handelsvertreter-Richtlinie, wie sie nun kurzfristig im HGB Umsetzung erfahren hat, die Rechte der Handelsvertreter. Letztendlich dürfte aber fraglich bleiben, ob es billig und angemessen erscheint, dem Handelsvertreter trotz höherer Unternehmervorteile eine Abfindung zu zu sprechen, die ihn dann erheblich besser stellt, als wäre er weiterhin für den Unternehmer tätig. Die Ausgestaltung dessen bleibt daher allein der Richterschaft bei Bewertung des jeweiligen, konkreten Einzelfalles vorbehalten. Die Gerichte haben durch diese Änderung erstmals die Möglichkeit zu Gunsten des Handelsvertreters über die bisherige, feste Grenze der zu erwartenden Provisionsverluste hinaus zu gehen.
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