Krankentagegeld
Ein Versicherungsnehmer begehrte die Fortzahlung von Krankentagegeld in Folge empfundenen Mobbings.
Nach seiner Behauptung sei er psychisch erkrankt und deshalb nicht in der Lage, seine bisherige Arbeitsleistung zu erbringen. Dies sei durch so genanntes Mobbing an seinem früheren Arbeitsplatz ausgelöst worden. Die Versicherung stellte die Leistung ein, nachdem ein Gutachten eine 100prozentige Arbeitsfähigkeit des Versicherungsnehmers festgestellt hatte und weigerte sich Krankentagegeld zu zahlen.
Der Versicherer erklärte, dass ein Krankentagegeldanspruch nicht allein auf Grund einer „konfliktbedingten Arbeitsplatzunverträglichkeit“ begründet werden könne. Das Landgericht hat die Klage des Versicherungsnehmers auf Zahlung von Krankentagegeld noch abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Versicherungsnehmer den Anspruch auf Krankentagegeld in der Berufungsverhandlung jedoch zugesprochen. Die Versicherung beantragte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) die Revision.
Der BGH bestätigte den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Zahlung von Krankentagegeld. Grund hierfür sei, dass die Definition der Arbeitsunfähigkeit in den Versicherungsbedingungen an die konkrete, berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht an ihre beruflichen Möglichkeiten anknüpfe. Die Arbeitsunfähigkeit ist daher stets anhand der bisherigen, beruflichen, konkreten Tätigkeit zu prüfen. In Folge dessen könnte eine Versicherung von dem Versicherungsnehmer auch keinen Wechsel des Arbeitsplatzes, die Wahl eines anderen Arbeitsumfeldes oder arbeitsrechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber verlangen. Dieser Grundsatz gelte auch dann, wenn der Versicherte an seinem Arbeitsplatz einer tatsächlichen oder von ihm als solcher empfundenen Mobbingsituation ausgesetzt ist (BGH, Urteil vom 9. März 2011 - IV ZR 137/10).
Eine Krankentagegeldversicherung soll Vermögensnachteile durch einen vorübergehenden Ausfall der Arbeitskraft absichern.
Ein Verdienstausfall als Folge von Krankheit kann aber nicht nur entstehen, wenn der Versicherte seinen Beruf im Allgemeinen vorübergehend bei keinem Arbeitgeber ausüben kann. Ein solcher Versicherungsfall und damit auch eine Eintrittspflicht der Versicherung soll auch gerade dann entstehen, wenn er gerade an seinem konkreten Arbeitsplatz nicht mehr tätig sein kann. Die Arbeitskraft fällt auch dann aus, wenn der Versicherte in Folge Mobbings an seinem bisherigen Arbeitsplatz erkrankt und dadurch an der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit in dieser konkreten Ausgestaltung gehindert ist.
Auch wenn der Versicherungsnehmer sein Arbeitsverhältnis beendet oder der selbständig tätige Versicherte in Folge dessen nicht mehr tätig ist, beendet dies nicht automatisch die Leistungspflicht der Versicherung. Bedingungsgemäß arbeitsunfähig kann auch derjenige Versicherungsnehmer sein, der nicht erwerbstätig ist (BGH, Urteil vom 27. Februar 2008 - IV ZR 274/06). Daher ist entscheidend, ob der Versicherungsnehmer die zuletzt vor Entstehung der behaupteten Arbeitsunfähigkeit ausgeübte, berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Ist das auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses der Fall, besteht die Arbeitsunfähigkeit weiter fort.
Dies zieht automatisch den Anspruch auf Krankentagegeld nach sich.
Krankentagegeld ist daher von der Versicherung auch für den Fall zu zahlen, dass die behauptete Arbeitsunfähigkeit auf so genanntes Mobbing zurück zu führen ist. Auch über die Zeit einer Anstellung oder einer selbständigen Tätigkeit hinaus ist daher Krankentagegeld zu leisten.
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