Rechtsschutz von Unternehmen gegen Benachteiligung bei der Auftragsvergabe.
Der Staat vergibt über Bund, Länder und Gemeinden in erheblichem Umfang Aufträge an private Unternehmen. Der Umfang der Auftragsvergabe beträgt in Deutschland jährlich immerhin etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In der gesamten EU erreicht er etwa eine Höhe von 1,5 Billionen Euro. Es verwundert deshalb nicht, dass das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe national und gemeinschaftsweit detailliert geregelt ist und durch eine mittlerweile recht reichhaltige Rechtsprechung ergänzt wird.
Anbietende Auftragnehmer müssen bei der Teilnahme von vornherein genau prüfen, welche rechtlichen Voraussetzungen und Verfahren zu berücksichtigen sind. Hierbei müssen die Rechtsquellen nach dem aktuellen Stand geprüft werden, da in den letzten Jahren erhebliche Rechtsänderungen bei der Auftragsvergabe eingetreten sind. Auf jeder Stufe der Verfahren müssen die Rechte der anbietenden Auftragnehmer eingehalten werden. Außerdem darf das im Verfahren erzielte Ergebnis beteiligte Bieter nicht benachteiligen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Ist nun ein Bieter der Auffassung, bei der Auftragsvergabe benachteiligt worden zu sein, müssen in jedem Einzelfall mindestens zwei Fragen geprüft werden:
Für jedes Angebot muss im Streitfall individuell geprüft werden, ob eine unzulässige Ungleichbehandlung vorliegt und welche Rechte des Bieters dadurch verletzt werden. So kann es vom Bieter im jeweiligen Fall hinzunehmen sein, dass eine Kommune Aufträge für eine Stromversorgung nur auf der Grundlage von Erneuerbare-Energien-Techniken vergibt, während die Vergabe allein an im Ort ansässige Unternehmer unzulässig sein kann.
Ein Bieter darf auch damit rechnen, dass er in gleichen Fristen die gleichen Informationen wie alle anderen Bieter erhält. Für die Auftragsvergabe ist zum Beispiel eine Beschränkung technischer Leistungsmerkmale auf bestimmte Herstellernamen, eine unzureichende Angabe von Zuschlagskriterien oder mangelnde Transparenz der Zuschlagsentscheidung unzulässig.
Mittelständische Unternehmer können außerdem eine Teilung der Aufträge in Fach- oder Teillose verlangen. Die Bildung von Bietergemeinschaften, die Begrenzung der Höhe der Lose und Vorgaben für die Vergabe von Unteraufträgen sind dabei ebenfalls möglich.
Sind Aufträge besonders komplex, muss der Auftraggeber (als eigene Verfahrensart) einen „wettbewerblichen Dialog“ mit den Unternehmen führen, die er zur Teilnahme aufgefordert hat (§ 101 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)). Hier können Konflikte auftreten, wenn Bieter ihre Angebote offenlegen sollen, damit der Auftraggeber die Angebote prüfen und einen Dialog mit ausgewählten Bietern führen kann. Auch mit ausscheidenden Anbietern kann es dadurch zu Schwierigkeiten kommen. Die Teilnahme am Dialog führt allerdings noch keineswegs zur Vergabe des Auftrags.
Verstöße gegen das Vergabeverfahren sind grundsätzlich innerhalb der Angebotsfrist zu rügen (§ 107 GWB, Stand 22.12.2010). Zu beachten ist weiter, dass in einigen Bundesländern unterschiedliche Schwellenwerte gelten; wird der jeweilige Schwellenwert unterschritten, ist eine freihändige oder beschränkte Auftragsvergabe möglich. In diesen Fällen und Grenzen besteht keine Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung. Bundesweit sind branchenspezifische Schwellenwerte zu beachten (§ 2 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV), Stand 7.6.2010), bei deren Überschreiten EU-Recht anwendbar wird und die Prüfung der genannten beiden Fragen nicht nach deutschem Recht erfolgt.
Zunächst kann der Bieter ein Nachprüfungsverfahren (§§ 107ff GWB) bei der zuständigen Vergabekammer beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass tatsächlich bereits eine Vergabe erfolgt ist (die nicht mehr im förmlichen Verfahren erfolgen darf, es sei denn in gesetzlich gestatteten Fällen, § 101 b Absatz 1 Nummer 2 GWB). Vorbeugender Rechtsschutz gegen eine bevorstehende Auftragsvergabe wird als nicht möglich angesehen.
Im Antrag ist darzulegen, dass der Bieter ein wirtschaftliches Interesse am Auftrag hat, die Vergabe seine Rechte verletzt und ein wirtschaftlicher Schaden droht. Der Bieter muss weiter vortragen, dass er Aussicht auf Erteilung des Zuschlags hatte. Außerdem muss er den Rechtsverstoß unverzüglich beim Auftraggeber gerügt haben. Die jeweilige Rügefrist kann in der Praxis mit ein bis drei Tagen recht kurz sein.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist eine sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht möglich (§§ 116 ff GWB). Diese Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, blockiert also die Durchsetzung der Entscheidung der Vergabekammer. Der Bieter kann außerdem einen gegen den Auftraggeber gerichteten Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens (Vertrauensschaden, § 126 Absatz 2 GWB) haben, der ihm etwa durch die Angebotserstellung und Teilnahme am Bieterverfahren erwachsen ist. Unter engen Voraussetzungen kann auch einen Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns entstehen.
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