Ohne Rechnung
Schwarzarbeit: Ohne-Rechnung-Abrede
„Ich brauche keine Tüte.“, sagt der Käufer - „Ich brauche keine Rechnung.“, sagt der Besteller. Erklärt er den Rechnungsverzicht wie bei der Tüte der Papierersparnis und des Umweltschutzes wegen? Für so naiv wird ihn kein Staatsanwalt und kein Richter halten. Er will dem Auftragnehmer helfen, Steuern zu sparen – ohne Rechnung keine Buchung, kein Eingang des Werklohns in die Erklärung von Umsatz und Einkommen. An der Steuerersparnis will der Besteller durch geringeren Werklohn teilhaben.
Es ist schlechthin lebensfremd, von einem bloß einseitigen Schwarzgeldgeschäft auszugehen. Das ist dann der Fall, wenn der Besteller selbst weder verbotswidrig handelt noch den Gesetzesverstoß des Auftragnehmers kennt oder ihn bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Ein solch einseitiger Gesetzesverstoß führt zwar nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, kommt in der Praxis aber kaum vor.
Üblicherweise führt die Ohne-Rechnung-Abrede zu einem zweiseitigen Schwarzgeldgeschäft.
Nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit leistet nicht nur derjenige Schwarzarbeit, der Dienst- oder Werkleistungen erbringt und dabei seine sich daraus ergebenden Steuerpflichten nicht erfüllt, sondern auch derjenige, der solche Arbeiten ausführen lässt. Weil das Schwarzarbeitsgesetz die Schwarzarbeit mit Geldbußen ahndet, soll nach Meinung bedeutender Juristen das Schwarzarbeitsgesetz ein Verbotsgesetz sein, das dagegen verstoßende Abreden nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) null und nichtig mache. Eine andere Meinung kommt zu dem gleichen Ergebnis wegen des mit der Ohne-Rechnung-Abrede immanent verbundenen Verstoßes gegen Steuerstrafgesetze.
Problem: Ist nur die Ohne-Rechnung-Abrede unwirksam oder der ganze Auftrag? In der Vergangenheit wurde die Antwort über § 139 BGB gesucht: Wenn der Vertrag im Übrigen auch ohne den Rechnungsverzicht so abgeschlossen worden wäre, soll er gültig sein. Denn Hauptzweck des Auftrages sei nicht die Unterlassung einer Rechnungserstellung, sondern die Erbringung der Leistung gegen Vergütung. Nur dann, wenn der Gesamtvertrag nichtig sei, könne keine der Parteien Erfüllung verlangen. Für die Praxis bedeutend: Wenn der Unternehmer schlecht geleistet hat, stehen dem Besteller keine Gewährleistungsansprüche (Nacherfüllung) zu; er bleibt auf dem mangelhaften Werk sitzen.
Im Jahr 2008 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Kehrtwendung vollzogen:
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Die Ohne-Rechnung-Abrede sei nichtig.
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Ob der Gesamtvertrag von der Nichtigkeit erfasst werde, brauche nicht entschieden zu werden.
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Bei Schlechtleistung könne der Besteller Gewährleistung (Nacherfüllung) verlangen.
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Der Werkunternehmer dürfe sich nicht auf die eventuelle Nichtigkeit des Vertrages berufen, weil er selbst durch seine Schwarzarbeit die Nichtigkeit des Vertrages (mit-) verursacht habe. Die Berufung auf die Nichtigkeit verstoße in einem solchen Fall gegen Treu und Glauben und sei unzulässige Rechtsausübung.
Diese Rechtsauffassung des BGH wurde in der Literatur massiv angegriffen. Das Ziel des Gesetzes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit werde durch solch eine Rechtsprechung konterkariert. Kürzlich ist das Oberlandesgericht Schleswig von der noch nicht einmal fünf Jahre alten Spruchpraxis des BGH abgewichen (Urteil vom 21. Dezember 2012 – Aktenzeichen 1 U 109/11). Das Gericht hält den gesamten Bauvertrag (es ging um Pflasterarbeiten) für nichtig und folgert, dass dem Besteller aus einem nichtigen Vertrag keine Gewährleistungsrechte, auch nicht mit Billigkeitserwägungen, erwachsen könnten. Die Rechtsprechung zur Ohne-Rechnung-Abrede ist damit wieder im Fluss.
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