Kindergeld II
Kein Zugriff von Kommunen auf Kindergeld für behinderte Kinder.
Eine Abzweigung von Kindergeld an eine Kommune gemäß § 74 Absatz 1 Einkommensteuergesetz (EStG kommt bei behinderten, im Haushalt ihrer Eltern lebenden Kindern nicht in Betracht, wenn die kindergeldberechtigten Eltern Aufwendungen für ihr Kind tragen, die mindestens so hoch sind wie das Kindergeld. Dabei sind nicht nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen, die den behinderungsbedingten Mehrbedarf oder das (sozialhilferechtliche) Existenzminimum decken.
Zurzeit prüfen viele Kommunen, die sog. Grundsicherungsleistungen für behinderte Kinder erbringen, ob sie auf das für diese Kinder gezahlte Kindergeld zugreifen können beziehungsweise müssen. Die aktuelle Entscheidung des 12. Senates ist für Betroffene eine wichtige Orientierungshilfe.
Im Streitfall ging es um das Kindergeld, das eine Mutter für ihren volljährigen, schwerstbehinderten Sohn bezieht.
Dieser lebt im Haushalt seiner Eltern und ist an den Werktagen in einer Behindertenwerkstatt im Arbeitsbereich tätig. Hieraus erzielt er ein geringes Werkstatteinkommen. Seine Eltern erhalten Pflegegeld der Pflegestufe III. Die Stadt zahlt an das Kind Grundsicherungsleistungen bei Erwerbsminderung. Daher war die Kommune der Meinung, dass das Kindergeld an sie - und nicht an die kindergeldberechtigte Mutter - auszuzahlen sei, und zwar unabhängig davon, ob oder in welcher Höhe die Eltern Aufwendungen für das Kind getragen haben.
Nachdem die Familienkasse den Abzweigungsantrag der Stadt abgelehnt hatte, klagte diese vor dem Finanzgericht Münster. Die in dem Verfahren als so genannte Beigeladene beteiligte, kindergeldberechtigte Mutter verwies auf die von ihr getragenen Aufwendungen (zum Beispiel für Arzneimittel, Kleidung, Urlaub etc.) sowie die von ihr erbrachten Pflegeleistungen. Sie war der Meinung, eine Auszahlung des Kindergeldes an die Stadt komme nicht in Betracht, da ihre eigenen Aufwendungen deutlich über dem an sie ausgezahlten Kindergeld liegen.
Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Mutter Recht und lehnte eine Abzweigung des Kindergeldes an die Stadt ab. Das Gericht stellte klar, dass eine Abzweigung an die Kommune gemäß § 74 Absatz 1 EStG nicht in Betracht komme, wenn kindergeldberechtigte Eltern Aufwendungen für ihr Kind tragen, die mindestens so hoch sind wie das Kindergeld. Dabei seien – anders als die Stadt meine – nicht nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen, die den behinderungsbedingten Mehrbedarf oder das (sozialhilferechtliche) Existenzminimum deckten.
Das Gericht machte deutlich, dass es bei im Haushalt der Eltern lebenden, behinderten Kindern darauf ankomme, den gesamten Lebensbedarf des Kindes zu ermitteln und diesen den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes gegenüber zu stellen. Nur wenn sich hier eine Deckungslücke ergebe, sei hinreichend nachvollziehbar, dass der insoweit bestehende Lebensbedarf des Kindes aus dem „gemeinsamen Topf“, in den das Einkommen der Eltern geflossen sei, gedeckt wurde.
Das Gericht stellte zudem klar, dass die Berücksichtigung fiktiver Kinderbetreuungskosten ausgeschlossen sei.
Aufwendungen zum Beispiel für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege, Bekleidung, Hausrat, Freizeit oder Urlaub seien von den Eltern zu beziffern und auch glaubhaft zu machen. Dabei gelte grundsätzlich das Monatsprinzip; abweichend komme allerdings auch eine gleichmäßige Verteilung von Aufwendungen auf das Jahr oder gar auf mehrere Jahre in Betracht, wenn es um regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen gehe.
In Bezug auf den Betreuungs- und Pflegeaufwand von kindergeldberechtigten Eltern spricht nach Auffassung des 12. Senates grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Pflegegeld insgesamt für die Sicherstellung der häuslichen Pflege verwendet wird. Das Pflegegeld stehe demnach – so das Gericht – nicht für die Bestreitung des Grundbedarfs oder eines anderweitigen behinderungsbedingten Bedarfs des Kindes zur Verfügung. Allerdings müssten kindergeldberechtigte Eltern, die einen höheren – über dem Pflegegeld liegenden – Betreuungs- und Pflegeaufwand geltend machten, diesen konkret darlegen.
Das könnte Sie auch interessieren:
-
-
-
Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind nach Paragraf 3 Nummer 34a des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimmte Leistungen steuer- und sozialabgabenfrei, die vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Das gilt sowohl in unbegrenzter Höhe für Beratungsleistungen eines Dienstleistungsunternehmens als auch bis zu einem Betrag von 600 Euro pro Jahr für Leistungen des Arbeitgebers für die kurzfristige Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Diese Steuerbefreiung ist bislang nur wenig bekannt.
Weiterlesen
-
Alleinerziehende erhalten unter bestimmten Voraussetzungen nach Paragraf 24b des Einkommensteuergesetzes einen zusätzlichen Steuerfreibetrag in Höhe von 1.908 Euro im Jahr, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht. Für jedes weitere Kind erhöht sich der Betrag um jeweils 240 Euro.
Weiterlesen
-
Ob eine freie Waldorfschule, eine Fachschule für Wirtschaft, eine Sonderschule für Lernbehinderte oder eine Berufsfachschule für Kosmetik oder für Altenpflegehilfe – mehr als 750.000 Schüler besuchen derzeit private Schulen in Deutschland, die sich in der Verantwortung eines freien, nichtstaatlichen Schulträgers befinden. Das ist fast jeder zehnte Schüler. Von dem gezahlten Schulgeld können Eltern 30 Prozent als Sonderausgaben absetzen, höchsten jedoch 5.000 Euro pro Jahr und Kind.
Weiterlesen
-
Für Eltern ist es vorteilhaft, wenn mehrere Ausbildungsabschnitte als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung anzusehen sind. Leider hat der Bundesfinanzhof jedoch jüngst die Bedingungen verschärft, unter denen ein zweiter Ausbildungsabschnitt als Teil einer mehraktigen Erstausbildung anzusehen ist.
Weiterlesen
-
Eltern können für die Betreuung von Kindern, die nicht älter als 13 Jahre alt sind, zwei Drittel ihrer Kosten als Sonderausgaben geltend machen. Maximal sind 4.000 € pro Kind und Jahr abzugsfähig. Ein Drittel müssen die Eltern selbst tragen. Bei jährlichen Kosten von 6.000 € je Kind werden die Steuervorteile somit voll ausgeschöpft.
Weiterlesen
-
Kosten der berufstätigen Eltern für die Unterbringung ihrer Kinder in zweisprachig geführtem Kindergarten sind abziehbar.
Weiterlesen
-
Erstattung von Fahrtkosten als Kinderbetreuungskosten.
Weiterlesen
-
Aufwendungen für den Besuch einer Schule für Hochbegabte als außergewöhnliche Belastungen.
Weiterlesen
-
Steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder nach Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011.
Weiterlesen
-
Besuchsfahrten zu einem auswärts wohnenden Kind führen nicht zu außergewöhnlichen Belastungen.
Weiterlesen
-
Semestergebühren sind beim Kindergeld bei der Prüfung der Einkünfte- und Bezügegrenze insgesamt als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen abziehbar.
Weiterlesen
-
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Ausgestaltung des Elterngelds als Einkommensersatzleistung verfassungsgemäß ist.
Weiterlesen
-
Der Ausbildungsfreibetrag ist verfassungskonform
Weiterlesen
-
Aufwendungen für eine heterologe, künstliche Befruchtung sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Weiterlesen
-
Die Unterstützung von Enkelkindern kann bei den Großeltern zu außergewöhnlichen Belastungen führen.
Weiterlesen
-
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Regeln bei der steuerlichen Berücksichtigung behinderter Kinder ausführlich zusammengestellt.
Weiterlesen
-
Die Absenkung der Altersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern ist verfassungsgemäß.
Weiterlesen
-
Eine Vollzeiterwerbstätigkeit schließt die Berücksichtigung als Kind nicht aus.
Weiterlesen
-
Die Fallbeilwirkung beim Grenzbetrag für die Bewilligung von Kindergeld ist nicht verfassungswidrig.
Weiterlesen
-
Vorsicht Falle: Aufwendungen für einen zu Ausbildungszwecken genutzten Drucker im Kindergeldrecht
Weiterlesen
-
Das Wahlrecht der Eltern zur Bestimmung des Kindergeldberechtigten kann rückwirkend von ihnen ausgeübt werden.
Weiterlesen
-
Kein Wahlrecht der Eltern für Zusammenfassung von Kinderfreibeträgen bei mehreren Kindern
Weiterlesen
-
Verfassungsgemäße Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern.
Weiterlesen
-
Abzug von Unterhaltsaufwendungen für ein behindertes Kind ohne Verpflichtung, das zur Altersvorsorge gebildete Vermögen zu verwerten.
Weiterlesen
-
EuGH-Vorlage zur Kindergeldberechtigung von polnischen Staatsangehörigen, die als entsandte Arbeitnehmer vorübergehend in der BRD beschäftigt sind.
Weiterlesen