Gemessen an der Zahl der insgesamt durchgeführten Behandlungen kommen ärztliche Behandlungsfehler selten vor.
Leider kann auch dem sorgfältigsten Arzt, insbesondere wenn er in den „schneidenden“ Disziplinen tätig ist, gelegentlich ein Fehler unterlaufen. Das hat für den Patienten zumeist gravierende Folgen.
Die erste Anlaufstelle für Fragen in einem solchen Fall ist der Arzt des Vertrauens - also der Hausarzt. Dem Patienten mangelt es in der Regel an Spezialwissen, um einerseits einen Kunstfehler überhaupt zu erkennen und andererseits sich daraus ergebende Ansprüche durchzusetzen. Ihm ist der Einblick in das Tun der Ärzte nur begrenzt möglich - das gilt insbesondere, wenn ein Eingriff unter Ausschaltung des Bewusstseins (Narkose) vorgenommen wird (vgl. dazu Ziegler: „Ausforschungsbeweis, Amtsermittlung und Symptomtheorie im Arzthaftungsrecht“ - Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht 02/04, S.68 ff.).
Darüber hinaus müssen dem Patienten Arztbriefe oder Operationsberichte zunächst einmal ins Deutsche übersetzt werden. Selbst ein gebildeter Patient kann die ärztliche Fachterminologie, die sich inzwischen als Sammelsurium lateinischer, griechischer, französischer und englischer Begriffe darstellt, kaum noch verstehen (vgl. Ziegler: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“, Versicherungsrecht 2002, Heft 13, S. 541 ff.).
Dazu sind immer mehr Hausärzte bereit. Sie sind es Ihren Patienten auch schuldig. Versicherungsrechtliche Gründe stehen noch nicht einmal beim Behandler selbst einer vernünftigen Aufklärung entgegen. Durch eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes zum 1. Januar 2008 wurde klargestellt, dass „eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer (Arzt) den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, unwirksam ist.“
Darüber hinaus ist der Arzt auch nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) gehalten, den Sachverhalt beim Behandlungsfehler ordnungsgemäß offen zu legen (§ 138 ZPO). Ist der Sachverhalt geklärt und ein Behandlungsfehler nicht auszuschließen, stehen Hausarzt und Patient vor der zweiten Hürde - der Juristischen.
Im Altertum galt Krankheit als Gottesstrafe. Der Patient verstand sich als Kranker, Leidender und Bestrafter, so dass eine rechtliche Inanspruchnahme des Arztes selbst bei fehlerhafter Behandlung kaum denkbar war. Bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts ist es dabei geblieben, dass Patientenklagen eher die Ausnahme als die Regel waren. Es stand für den Patienten überhaupt nicht zur Diskussion, gegen den Arzt vorzugehen. Das hat sich inzwischen geändert.
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Beweislastverteilung im Arzthaftungsprozess aus dem Jahre 1979 wurde das Prinzip der Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess eingeführt. Das BVerfG vertritt die Auffassung, dass die bisherige Verteilung der Beweisführungs- wie der Beweislast im Arzthaftungsprozess typischerweise zum Vorteil des Arztes oder des Krankenhausträgers ausschlug.
Um die vom BVerfG geforderte „Waffengleichheit“ zu verwirklichen, hat die Rechtsprechung inzwischen Beweiserleichterungen für den Patienten geschaffen und die Rechte des Patienten auch in anderen Bereichen entscheidend gestärkt. Die Besonderheit des Arzt-Patienten-Verhältnisses hat dazu geführt, dass die Rechtsprechung die Beweislast im Bereich der groben Behandlungsfehler heute zugunsten des Patienten umkehrt beziehungsweise Beweiserleichterungen schafft (vgl. Ziegler „DIN in der Medizin“ - Qualitätsmanagement in Klinik und Praxis 5/2002, S. 133 ff.). Das ist insbesondere der Fall bei
der Nichtbeachtung von Richt- oder Leitlinien;
bei der Nichteinhaltung des so genannten Facharztstandards;
bei Dokumentationsmängeln;
bei sicher beherrschbaren Risiken (Lagerungsfehler, Wartungsfehler, Hygienemängel) und
bei mangelnder Aufklärung.
Ärzte scheuen sich nicht mehr Strafanzeigen wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung gegen andere Ärzte zu erstatten. Die Rechtsprechung im Arzthaftungsrecht ist gefestigt. Geschädigte Patienten finden juristisch mittlerweile eine zufriedenstellende Situation vor. Sie finden jedoch nicht so leicht einen zufriedenstellenden Anwalt, der sie in der hoch spezialisierten Materie beraten kann (vgl. „Ziegler/Hartwig - Der Grundsatz der fachgleichen Begutachtung“ - Versicherungsrecht 2011, Heft 25, S. 1113 ff.).
In der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein sind von etwa 160.000 in Deutschland tätigen Anwälten zirka 1.600 organisiert. Davon vertreten etwa 90 Prozent die Ärzte. Patientenvertreter sind selten und nur wenige sind Fachanwälte für Medizinrecht.
Die in Deutschland gezahlten Schmerzensgelder sind in den letzten Jahren nicht angehoben worden. Hier ist eine Korrektur angebracht (vgl. hierzu Ziegler/Ehl: „Bein ab - arm dran“, JR 2009 S. 1 ff). Bei mangelndem finanziellen Hintergrund - insbesondere ohne Rechtsschutzversicherung und Prozesskostenhilfe - können seit dem 1. Juli 2008 auch hier zu Lande erfolgsabhängige Honorare mit Anwälten vereinbart werden. Gerade bei Klagen gegen Ärzte und Krankenhäuser ist dies für Geschädigte oft die einzige Möglichkeit, um zu ihrem Recht zu kommen (vgl. hierzu Ziegler/Rektorschek: „Trotz Hartz IV zum Erfolg“, Juristische Rundschau Heft 9/2009).
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