Nottestament
Anton Bernhard Hilbert
Ist aktuell kein Notar erreichbar, sieht das Gesetz vor, dass mündlich ein Nottestament errichtet werden kann.
Ein Testament ist nur dann wirksam, wenn es entweder vor einem Notar errichtet (öffentliches Testament) oder handschriftlich verfasst (eigenhändiges Testament) wird. In besonderen Situationen kann aber ein so genanntes Nottestament errichtet werden. Von einer solchen Situation geht das Gesetz zum Beispiel bei Seereisen aus: § 2251 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Nottestament auf See. Wer sich während einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffes außerhalb eines inländischen Hafens befindet, kann ein Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Die Bezeichnung „Nottestament“ ist irreführend, weil eine Notlage nicht erforderlich ist. Selbst wenn ein Notar an Bord ist, kann das mündliche Seetestament errichtet werden. Folgende Voraussetzungen sind zu beachten:
1. Seereise außerhalb eines inländischen Hafens
Unter „See“ zu verstehen sind Küstengewässer und die hohe See, nicht aber ein deutscher Binnensee. Ob die Vorschrift auch auf große ausländische Seen (Lake Erie, Victoriasee) anzuwenden ist, bleibt offen.
Es muss sich um eine „Reise“ handeln. Als Reise gelten auch Küstenfahrten, nicht aber Fischereifahrten mit baldiger Rückkehr oder kurze Sport- und Vergnügungsfahrten.
„Außerhalb eines deutschen Hafens“ muss sich der Reisende befinden. Die Reise beginnt mit dem Ablegen vom Hafen, sie endet, wenn der Reisende in einem ausländischen Hafen das Schiff verlässt und an Land geht. Der Aufenthalt auf dem Schiff in einem ausländischen Hafen zählt noch zur Seereise, nicht aber der Aufenthalt an Bord in einem inländischen Hafen.
2. Deutsches Schiff
Die Reise muss an Bord eines „deutschen“ Schiffes erfolgen. Ob es sich um ein deutsches Schiff handelt, regelt sich nach dem Flaggenrechtsgesetz. Für Passagiere der Costa Concordia hätte die Vorschrift nicht gegolten, weil das Schiff unter italienischer Flagge gefahren ist. Außerdem muss es sich um ein „Seeschiff“ handeln. Luftschiffe oder Flugzeuge kommen nicht in Frage – schon deshalb, weil es zur Zeit der Regelung (1. Januar 1900) noch keine Luftreisen gegeben hat. Auch fest verankerte Bohrinseln oder Feuerschiffe gelten nicht.
3. Drei Zeugen
Das Nottestament muss mündlich vor drei Zeugen erklärt werden. Eine Mitwirkung der Schiffsbesatzung oder gar des Kapitäns ist nicht erforderlich.
4. Niederschrift
Über das Nottestament muss eine Niederschrift aufgenommen werden, die die Bezeichnung des Erblassers und die Namen der drei Zeugen enthalten muss. Sie muss vorgelesen, genehmigt und unterschrieben werden.
5. Gültigkeitsdauer
Das Nottestament gilt für die Dauer von drei Monaten, die Frist beginnt ab Beendigung der Reise. Tritt der Erblasser vor Ablauf der drei Monate eine neue Reise an, so beginnt der Lauf der Drei-Monats-Frist erst nach Beendigung der nächsten Reise – und so weiter.
Autor:
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Über den Autor
Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Kanzlei Hilbert und Simon
Kaiserstr. 5
79761
Waldshut-Tiengen
Zum Profil
Weitere Artikel des Autors (10)
-
Immobilienrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Spezialisierte Fachbetriebe bieten als Alternative zum Austausch der Trinkwasserleitung die Innenrohrsanierung.
Weiterlesen
-
Mietrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Verletzung der Kautionsanlagepflicht: Mit welchem Satz muss der Vermieter die Mietsicherheit verzinsen?
Weiterlesen
-
Mietrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Anerkenntnis der Betriebskostenabrechnung durch den Mieter bei vorbehaltloser Zahlung?
Weiterlesen
-
Familienrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Eines der wichtigsten Ziele der Vorsorgevollmacht ist eine liebevoll-individuelle Versorgung im Alter statt einer kaltherzig-anonymen Betreuung.
Weiterlesen
-
WEG-Recht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Der Gesetzgeber krempelt das bewährte Wohnungseigentumsrecht umfassend um. In der Tendenz werden die gesellschaftsrechtlichen Elemente gestärkt, die eigentumsrechtlichen Komponenten geschwächt.
Weiterlesen
-
Patientenrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Covid-19 wirft - ob Risikogruppe oder nicht - Fragen in Bezug auf Patientenverfügungen und angemessene Maßnahmen für den Ernstfall einer Erkrankung auf.
Weiterlesen
-
WEG-Recht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Adieu, werdende Wohnungseigentümergemeinschaft? Vorsicht beim Kauf einer Eigentumswohnung!
Weiterlesen
-
Erbschaftssteuer- und Schenkungsrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Oft stehen Erben vor der Frage, ob die eben geerbte Immobilie verkauft werden muss, um die Erbschaftsteuer zahlen zu können? Diese Sorge steigt in dem Maße, wie die Immobilienpreise steigen. Wir zeigen Ihnen Wege auf, wie Sie das Problem in den Griff bekommen.
Weiterlesen
-
Familienrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Die Immobilienübergabe unter Vorbehalt des Nießbrauchs ist ein bewährtes Steuersparmodell. Aber der gemeinschaftliche Nießbrauch der „Übergeber-Eheleute“ kann seine speziellen Tücken haben und Eheleute über die Scheidung hinaus zwangsverbinden. Das Problem müssen Übergeber-Eheleute bedenken und regeln, um sich vor bösen Überraschungen zu schützen.
Weiterlesen
-
Steuerrecht
Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
Der Verkauf einer geerbten Immobilie ist für den Erben steuerfrei, wenn eine Wartefrist von 10 Jahren eingehalten wurde. Ein steuerfreier Verkauf kann unter bestimmten Voraussetzungen auch bereits nach etwas mehr als einem Jahr möglich sein, sofern er die Immobilie in dieser Zeit selbst nutzt.
Weiterlesen
Das könnte Sie auch interessieren:
-
-
-
Das oberste Ziel eines jedes Testaments ist es, mit dem Dokument Frieden unter den Erben zu stiften. Ein schlechtes Testament verursacht oft unnötigen Streit, selbst wenn die Erben und Vermächtnisnehmer reich bedacht werden.
Weiterlesen
-
Ein Ehegattentestamtent kann steuerliche Fallstricke und andere Probleme mit sich bringen. Kennen und nutzen Sie Ihre Freibeträge!
Weiterlesen
-
Was tun, wenn das Testament verschwunden ist? Welche Möglichkeiten und Regelungen haben Erben, Ansprüche ohne Schriftstück zu beweisen oder gar durchzusetzen?
Weiterlesen
-
Die erbrechtlichen Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, hier §§ 2265 und 2269, sehen vor, dass Ehegatten und eingetragene Lebenspartner ein gemeinschaftliches Testament errichten können.
Weiterlesen
-
Behinderte als Erbe? Um dem behinderten Erben möglichst viel zukommen zu lassen, möglichst ohne zugleich seine Sozialleistungen (z.B. Eingliederungshilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege, Wohngeld etc.) zu schmälern, muss strategisch vorgegangen werden.
Weiterlesen
-
Das Berliner Testament bildet nach wie vor eine gute Möglichkeit, wie sich Ehegatten für den Erbfall gegenseitig absichern können. Die damit einhergehenden erbschaftsteuerlichen Nachteile lassen sich durch geeignete Gestaltungsmaßnahmen in den Griff bekommen.
Weiterlesen
-
Dem behinderten Kind Vermögen vererben - das so genannte Behindertentestament.
Weiterlesen
-
In den §§ 1922 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Gesetzgeber die sogenannte gesetzliche Erbfolge verankert.
Weiterlesen
-
Ein Testament brauchen Sie immer dann, wenn das gesetzliche Erbrecht nicht dazu führt, dass die gewollte Erbfolge nach dem Ableben eintritt.
Weiterlesen
-
Wirksamkeit eines zeitlich verzögerten Ehegattentestaments
Weiterlesen
-
Errichtung, Verwahrung, Unwirksamkeit und Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments.
Weiterlesen
-
Eine Schiedsklausel im Testament kann eventuelle Erbstreitigkeiten entschärfen und verkürzen.
Weiterlesen
-
Die Gestaltung eines Behindertentestamentes ist besonders anspruchsvoll.
Weiterlesen
-
Wahrung des Familienfriedens durch die Benennung eines Testamentvollstreckers.
Weiterlesen
-
Der Unterschied zwischen Vererben und Vermachen.
Weiterlesen
-
Aufhebung eines Erbvertrages - Durchbrechung der Bindungswirkung.
Weiterlesen
-
Oft wünscht der Ehepartner, der sich von dem Anderen getrennt hat, dessen dauerhaften Ausschluss von seinem Nachlass.
Weiterlesen
-
Testamentsvollstreckung als Mittel der Streitvermeidung.
Weiterlesen
-
Testament: frühere und durchgestrichene Verfügungen als Auslegungshilfe?
Weiterlesen
-
Ein Testamentsvollstrecker nimmt dem Erblasser die Sorge, mit seiner Hinterlassenschaft würde verschwenderisch umgegangen.
Weiterlesen
-
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten beträgt gemäß § 1931 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) neben den Kindern des Erblassers ein Viertel.
Weiterlesen
-
Die Kenntnis des Erblassers ist ausschlaggebend für den Beginn der Anfechtungsfrist.
Weiterlesen
-
Vielen Erblassern unterlaufen bei der Abfassung ihres Testaments Formulierungsfehler mit teilweise gravierenden Folgen.
Weiterlesen
-
Schenkungen bei gebundenen Erblassern sind unter Umständen unwirksam.
Weiterlesen
-