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Der faule Notarzt

Ein Kind stirbt, weil der Arzt nicht kommt – Strafverfahren gegen Ärzte. Sollte man den Staatsanwalt informieren?

Ausgangsfall

Am 29.12.2002 ist unser knapp 2 Jahre alter Sohn erkrankt. Er bekam Fieber und hat um 22.00 Uhr ein Fieber senkendes Mittel bekommen, was aber nicht geholfen hat. Deshalb habe ich um ca. 2.00 Uhr meinen Hausarzt Dr. P. angerufen, der jedoch nicht da war. Immerhin habe ich so die Nummer des Notarztes erfahren. Der angerufene Notarzt Dr. S. sagte mir nach Schilderung des bisherigen Verlaufs, dass ich noch ein Zäpfchen geben sollte. Das Fieber ist aber sogar noch höher geworden und mein Sohn hat angefangen zu weinen. In einem weiteren Telefonat bat ich den Notarzt, zu uns zu kommen. Er verlangte, dass wir zu ihm kommen sollten, obwohl ich weder Führerschein noch Auto be-saß. Ich solle doch einen Nachbarn aufwecken, was ich angesichts der Uhrzeit verneinte. Auch durch weiteres Zureden konnte ich den Notarzt nicht von der Notwendigkeit eines Besuchs überzeugen. Die Frage nach einem weiteren Notarzt wurde mir nicht beantwor-tet. Ich habe dann meinem Sohn auf Anraten des Notarztes einen Teelöffel Benuronsaft gegeben, worauf er bis um 5.30 Uhr geschlafen hat. Mir fiel auf, dass er ein blau unter-laufenes Auge bekommen hat. Einen ähnlichen Fleck habe ich schon am Tag zuvor am Knie entdeckt, dachte aber, er hätte sich gestoßen. Um 6.00 Uhr hat ein Arbeitskollege mich dann ins Frankenberger Krankenhaus gefahren. Dort mussten wir 15 Minuten warten. Nach einer oberflächlichen Untersuchung hat uns der Arzt Dr. W. geraten, sofort in die Kinderklinik nach Marburg zu fahren und nicht zu warten, bis der Kinderarzt aufmachen würde, da das Kind schwer atme. Ein Notarztwagen wurde uns nicht angeboten und wir selbst kamen auch nicht auf diese Idee. Kaum im Krankenhaus in Marburg an-gekommen, wurde mein Sohn (er atmete noch und hat 2 Mal Papa gesagt) schon schnell in eine Station gebracht und dort die Behandlung weitergeführt. Es wurde eine Herzmassage gemacht. Nach langer Behandlungszeit wurde mir mitgeteilt, dass mein Sohn gestorben ist. Durch die Autopsie habe ich erfahren, dass es eine Meningitis (Hirnhautentzündung) war.

Rechtslage

Im vorstehenden Fall wurde von Amts wegen ermittelt. Das Verfahren gegen die beteiligten Ärzte wurde jedoch nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt:

„Nach den durchgeführten Ermittlungen kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass das Kind die zum Tode führendeErkrankung überlebt oder zumindest länger gelebt hätte, wenngleich gegen 2.00 Uhr die objektiv erforderlichen Behandlungsmaßnahmen eingeleitet worden wären. [ …]

Ferner kann den Beschuldigten nicht mit der zur Erhebung einer öffentlichen Klage gegen sie erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass sie den objektiv gegebenen lebensbedrohlichen Zustand des Kindes als solchen und damit das Vorliegen eines Unglücksfalles im Sinne des § 323 c StGB erkannt haben.“

Auf eine Beschwerde hin wurde die Staatsanwaltschaft zwar zunächst angewiesen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen und einen neuen Bescheid zu erteilen (wir hatten uns insoweit auf AG Jever, NJW 1991, 760 ff. und BGH, NJW 1979, 1248 berufen). Das Verfahren wurde jedoch erneut eingestellt und unsere dagegen gerichtete Beschwerde dann verworfen. Dem Mandanten wurde von einem Klageerzwingungsverfahren abgeraten und empfohlen die Angelegenheit wegen der besseren Beweismöglichkeiten nunmehr im Zivilprozess zu verfolgen. Diesbezüglich ist wegen des groben Behandlungsfehlers die Beweislast umzukehren. Der GVV sowie die Haftpflichtversicherung des Krankenhausarztes sind anderer Auffassung. Das Verfahren wurde inzwischen durch einen Vergleich abgeschlossen. Einer der Ärzte musste 10.500,00 € zahlen; den Eltern wurde Prozesskostenhilfe gewährt.

Kommentar

Von Strafverfahren gegen Ärzte ist grundsätzlich abzuraten. Sie führen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zum Erfolg. „Der Verfasser einer empirischen  Untersuchung“ (Peters, Der strafrechtliche Arzthaftungsprozess, Sinsheim 2000), die einen Berichtszeitraum zwischen 1992 und 1996 erfasst, wertete in diesem Zeitraum Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf aus, denen der Vorwurf eines Behandlungsfehlers im weitesten Sinne zugrunde lag. Der Tatvorwurf bezog sich überwiegend auf Fälle der Falschdiagnose und Behandlungen nicht lege artis. Von den Verfahren wurden 80 % aus tatsächlichen, 9 % aus rechtlichen Gründen gem. § 170 Abs. 2 StPO und 10 % gem. §§ 153, 153a StPO eingestellt. Interessant ist die Erhebung auch insoweit, als in keinem Fall Anklage erhoben oder ein Strafbefehl erlassen wurde. Darüber hinaus liegen die Hürden für eine Verurteilung wesentlich höher als im Zivilrecht. Eine Beweislastumkehr findet hier nicht statt. Deshalb betrachten es führende Arzthaftungsrechtler auch als kunstfeh-lerhaft für Rechtsanwälte, in Arzthaftungsfällen den Staatsanwalt einzuschalten. Man sollte immer nur zivilrechtlich vorgehen, weil man hier mit der Beweislastumkehr die besseren Möglichkeiten hat.

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Über den Autor

Rechtsanwälte Ziegler & Kollegen
Am Grün 18
35037 Marburg


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