Headhunting
Das Abwerben von hoch qualifizierten Mitarbeitern durch Headhunter findet auch in wirtschaftlich schweren Zeiten statt.
Gesellschaftsrechtlich hat dieses Thema neben einer großen Relevanz auch eine hohe Brisanz. Unternehmen können sich ohne gute, qualifizierte Mitarbeiter häufig nur schlecht am Markt behaupten. Qualifizierte Mitarbeiter haben hingegen meist ein Interesse daran, sich beruflich weiter zu entwickeln und nicht unbedingt von der Lehre bis zur Rente in ein und demselben Betrieb beschäftigt zu bleiben. Aus dieser Gemengelage von unterschiedlichen Interessen entstehen zahlreiche Konflikte, mit denen sich die Gerichte immer wieder beschäftigen. Die gegenwärtige Krise wird vermutlich die Konflikte weiter verschärfen.
Der Grundkonflikt ist zunächst einmal wettbewerbsrechtlicher Natur und beschäftigt daher nicht die Arbeitsgerichte, sondern die ordentliche Gerichtsbarkeit. Ein Unternehmer beauftragt einen Personalberater, geeignete Mitarbeiter zu finden. Der sucht diese natürlich nicht im Schwimmbad oder im Wirtshaus, sondern an deren Arbeitsplätzen und nimmt dort Kontakt zu ihnen auf. Der Mitbewerber des Unternehmers möchte aber natürlich nicht, dass ihm jemand seine Mitarbeiter abspenstig macht und nimmt den Unternehmer (vielleicht auch direkt den Headhunter) auf Unterlassung und/oder Schadenersatz in Anspruch.
Der Bundesgrichtshof (BGH) hat in drei Entscheidungen vom 4. März 2004, 9. Februar 2006 und 22. November 2007 Grundsätze zum Headhunting aufgestellt.
Nach der ersten Entscheidung ist es zunächst einmal grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, wenn ein Arbeitnehmer von einem Personalberater am Arbeitsplatz angerufen und nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt wird. Im Gespräch kann diese neue Stelle auch kurz beschrieben werden. Gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt es aber, wenn der Personalberater ein klares nein des Arbeitnehmers ignoriert. Ein anderer Verstoß ist, wenn das Gespräch über eine knappe Stellenbeschreibung hinaus ausgedehnt wird.
Die zweite Grundsatzentscheidung vertieft diese Entscheidung und stellt dabei klar, dass es bei dem Anruf nicht darauf ankommt, ob Festnetz- oder Mobiltelefone benutzt werden. In der dritten Entscheidung stellt der BGH klar, dass die Grenzen des Erlaubten überschritten werden, wenn der Headhunter dem Arbeitnehmer in diesem ersten Telefonat Daten zu dessen Lebenslauf und zur bisherigen Tätigkeit vorhält.
Die Bundesrichter haben klargestellt, dass Personalberater neue Arbeitskräfte grundsätzlich in ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis kontaktieren dürfen.
Die damit verbundene Störung des Arbeitsablaufs muss der Arbeitgeber hinnehmen. Dies vor allem, weil der Arbeitnehmer ein schützenswertes Interesse daran hat, sich beruflich zu verbessern und deswegen vermutlich mit dem Anruf einverstanden sein wird. Aber dann ist auch schon Schluss. Der Personalberater darf den Mitarbeiter nur kurz kontaktieren und ihm nur gerade erklären, worum es geht. Der weitere Kontakt hat außerhalb des bestehenden Arbeitsverhältnisses in der Freizeit des Arbeitnehmers stattzufinden. Gänzlich unzulässig ist es, wenn der Personalberater den fremden Betrieb zum Zwecke der Abwerbung dort beschäftigter Mitarbeiter direkt aufsucht.
Das Abwerben von Mitarbeitern durch Headhunting gehört zum Wettbewerbsrecht. Dieser wettbewerbsrechtliche Aspekt korrespondiert aber mit der arbeitsvertraglichen Pflicht des Arbeitnehmers, sich seinem Arbeitgeber vertragstreu zu verhalten. Deswegen ist es auch unzulässig, wenn der Headhunter versucht, den Arbeitnehmer zum Vertragsbruch anzustiften oder dessen Vertragsbruch auszunutzen. Hoch problematisch ist es, wenn der Arbeitnehmer gleich seine Kollegen für den neuen Job beim Mitbewerber des (Noch-)Arbeitgebers begeistern soll (oder dies tut) und man dann den alten Arbeitgeber gleich im Dutzend verlässt.
Das wäre dann als planmäßiges Ausspannen fremder Beschäftigter zum Zwecke der Behinderung des Mitbewerbers anzusehen. Ein solches Verhalten kann dem Unternehmer einen Anspruch auf Erlass eines Beschäftigungsverbotes gegen seine ehemaligen Arbeitnehmer geben, der auch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbar ist. Natürlich hat der verlassene Arbeitgeber dann auch Schadensersatzansprüche.
In der Praxis sind es nur seltene Einzelfälle, in denen der Erfolg eines Unternehmens nicht vor allem auch auf der Arbeit qualifizierter und langjähriger Mitarbeiter beruht.
Das ist den meisten Unternehmern bewußt und sie behandeln ihre Mitarbeiter auch entsprechend oder versuchen es zumindest. Treue kann man nur erwarten, wenn man den Mitarbeitern auch mit Vertrauen, Ehrlichkeit und Fürsorge begegnet. Ein so wertgeschätzter Mitarbeiter ist für einen Headhunter in den meisten Fällen kein angenehmer Gesprächspartner. Ein Anruf zur ersten Kontaktaufnahme bleibt kurz und folgenlos.
Der Mitarbeiter, der - aus welchen Gründen auch immer - daran denkt, sich zu verändern oder zumindest diese Option nicht ausschließt, wird sich über den Anruf des Personalberaters vielleicht freuen. Wenn er in dieser Situation im Kopf behält, dass er noch von seinem Arbeitgeber bezahlt wird und diesem Fairness schuldet, dann gibt es auch kein wirkliches Problem. Der Mitarbeiter wird sich mit dem Personalberater verabreden und eine Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses anstreben, wenn er sich tatsächlich verbessern kann.
Eventuell kann er mit dem Arbeitgeber im Rahmen eines Aufhebungsvertrages noch das ein oder andere für die Zukunft regeln, vielleicht sogar die Möglichkeit der Rückkehr.
Denn ein Problem hat der wechselwillige Arbeitnehmer in jedem Fall. Er gibt seinen sozialen Besitzstand auf. Beim neuen Arbeitgeber hat er im ersten halben Jahr überhaupt keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Vermutlich ist das Arbeitsverhältnis zur Probe befristet und es wird Jahre dauern, bevor der Arbeitsplatz einen gewissen Bestandsschutz von Belang hat.
Abschließend noch ein kurzer Hinweis für den Fall, dass die neue, zunächst nur befristete aber als langfristig angedachte Beschäftigung doch nach Fristablauf ihr Ende findet. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer dann sein altes Arbeitsverhältnis nicht mutwillig gelöst hat. Die Agentur für Arbeit darf keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld gegen ihn verhängen.
Das könnte Sie auch interessieren:
-
-
-
Ausgedehnte Pausen zum Rauchen, Small Talk an der Kaffeemaschine oder privates Surfen im Internet während der Arbeitszeit sind Situationen, die immer wieder in Unternehmen vorkommen. Dieser Artikel klärt, wann ein Arbeitszeitbetrug vorliegt, wie sich dieser von einem Verstoß abgrenzt und welche Konsequenzen ein derartiges Verhalten haben kann.
Weiterlesen
-
Im Schadensfall ist der Verursacher zur Haftung verpflichtet - ein Rechtsgrundsatz, der selbstredend auch für Schäden gilt, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses entstehen. Verursacht ein Arbeitnehmer Schäden an Betriebseigentum, kann der Arbeitgeber ihn dafür in Regress nehmen. Dennoch gibt es verschiedene Besonderheiten, die den Regress des Arbeitgebers beeinflussen oder komplett wegfallen lassen.
Weiterlesen
-
Mobbing und dessen Auswirkungen sind häufige Gründe, warum sich immer mehr Arbeitnehmer krankschreiben lassen. Allein der durch den Arbeitsausfall entstandene wirtschaftliche Schaden für das jeweilige Unternehmen kann enorme Ausmaße annehmen. Letzten Endes schadet sich jeder Arbeitgeber also selbst, wenn er Mobbing in seinem Betrieb nicht konsequent den Riegel vorschiebt. Doch wo beginnt und endet eigentlich die Mitwirkungspflicht seitens des Arbeitgebers, wenn es um die Vermeidung von Mobbing im Beruf geht?
Weiterlesen
-
Ein normalerweise eher unbedeutendes Thema rückt zu Corona-Zeiten plötzlich in den Fokus der Arbeitswelt Kurzarbeit. Doch kann in der Krise der Arbeitgeber – wie viele glauben – Kurzarbeit einfach einseitig anordnen?
Weiterlesen
-
Die Bedeutung des Home Office hat zu Corona-Zeiten eine ganz neue Dimension erreicht. Nicht nur die Nutzung, sondern auch die Akzeptanz der Arbeit im Homeoffice ist explosionsartig gestiegen und die deutliche Mehrheit aller Fälle hat gezeigt, dass es funktioniert.
Weiterlesen
-
Die Coronakrise hält momentan die Welt in Atem. Vor allem herrscht innerhalb der Bevölkerung eine große Unsicherheit, welche Rechte sie nun in den verschiedensten Lebensbereichen hat. Im Folgenden Ihre Rechte als Selbstständigen, so umfassend, wie es derzeit möglich ist, beurteilt. Die folgenden Ausführungen basieren auf der Interpretation der in Deutschland aktuell geltenden Gesetze, sowie den Veröffentlichungen der zuständigen Behörden.
Weiterlesen
-
Jedes Jahr werden in Deutschland zwischen 1,0 und 1,4 Milliarden unbezahlte Überstunden geleistet – also Arbeitszeit ohne Entlohnung oder Freizeitausgleich. Auf den einzelnen Arbeitnehmer heruntergerechnet sind das durchschnittlich drei Überstunden pro Monat!
Weiterlesen
-
Nicht immer ist die einseitige Freistellung von Trainern, Sportdirektoren oder Spielern zulässig. Findet sie dennoch statt, stellt sich die Frage nach dem Vergütungsanspruch des Betroffenen.
Weiterlesen
-
Wieviel Urlaub am Stück steht mir zu? Wann verfallen Urlaubsansprüche und was kann ich dagegen tun? Die wichtigsten Neuerungen im Bundesurlaubsgesetz 2019!
Weiterlesen
-
Die Wahrung von Betriebsgeheimnissen erfolgt von zwei Seiten. Zum einen sind Angestellte in der Regel durch eine Verschwiegenheitsklausel gebunden. Aber auch Arbeitgeber sind in der Pflicht, ihre Geschäftsgeheimnisse durch angemessene Maßnahmen zu schützen. Dies wurde kürzlich auch gesetzlich konkretisiert.
Weiterlesen
-
Was bedeutet das Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung im Einzelnen? Kann auch weiterhin eine flexible Arbeitszeit gewährleistet werden und welchen Anforderungen (DSGVO) müssen moderne Zeiterfassungssysteme genügen?
Weiterlesen
-
Die täglich geleistete Arbeitszeit gibt Aufschluss über Überstunden und Mindestlohnvergütung, für deren Nachweis bis dato der Arbeitnehmer verantwortlich war. Das jüngste Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung dürfte dies maßgeblich verändern.
Weiterlesen
-
BAG erschwert die Berufung auf Ausschlussfristen
Weiterlesen
-
Im Rahmen des Arbeitskräftemangels kommt es vermehrt dazu, dass der Arbeitgeber von „normaler“ Arbeit umstellt auf Schichtarbeit. Insoweit ist zu erörtern, ob dies durch das Direktionsrecht gedeckt ist.
Weiterlesen
-
Was macht man als Arbeitnehmer also als erstes, wenn man spürt, dass man nicht arbeiten kann? Man informiert seinen Arbeitgeber und zwar vor oder spätestens zum Dienstbeginn. Das ist etwas anderes als die Krankschreibung vom Arzt, nämlich nur die einfache Mitteilung, dass man krank ist und nicht zur Arbeit erscheinen kann.Spätestens am dritten Tag (nicht Werktag) nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit muss eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber eingegangen sein.
Weiterlesen
-
Das Direktionsrecht (Arbeitsort, Arbeitszeit oder Inhalt der Tätigkeit) aus § 106 Gewerbeordnung ermöglicht dem Arbeitgeber nach wie vor, die im Arbeitsvertrag rahmenmäßig umschriebenen Leistungspflichten der Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses einseitig durch Weisungen zu konkretisieren.
Weiterlesen
-
Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist es dem Arbeitgeber nicht untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen.
Weiterlesen
-
Anspruch auf ein Firmenfahrzeug im Krankheitsfalle, während Mutterschutz oder Elternzeit?
Weiterlesen
-
Freiwilligkeitsvorbehalt: Sind Sie sicher, dass Ihr Urlaubsgeld sicher ist?
Weiterlesen
-
Aufhebung eines Wettbewerbsverbots durch allgemeine Ausgleichsklauseln.
Weiterlesen
-
Wegen der Geburt eines zweiten Kindes vorzeitig beendete Elternzeit kann später nachgeholt werden.
Weiterlesen
-
Die hartnäckige Verletzung der Pflicht zur Anzeige der Arbeitsunfähigkeit kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Weiterlesen
-
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Arbeitsrecht soll die Benachteiligung und Diskriminierung von Arbeitnehmern verhindern.
Weiterlesen
-
Einsatz von Praktikanten – auch über mehrere Jahre?!
Weiterlesen
-
Ist der Arbeitsplatz öffentlich zugänglich wie in einer Bäckerei oder in einem Supermarkt findet das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Anwendung.
Weiterlesen
-
-
Die Pflicht des Arbeitgebers, seine Arbeitnehmer vor Mobbing zu schützen und das Mobben selber zu unterlassen, ergibt sich aus seiner Fürsorgepflicht.
Weiterlesen
-
Prozesskostenhilfe muss auch für Mehrvergleich bezahlt werden - ein Callcenter-Mitarbeiter gewinnt gegen die Hamburger Arbeitsgerichte.
Weiterlesen
-
Wirksam ist eine Abmahnung nur dann, wenn aus ihr eindeutig die sogenannte Rügefunktion erkennbar ist.
Weiterlesen
-
Mobbing und Bossing durch Kollegen beziehungsweise Vorgesetzte: Die Opfer können sich erfolgreich wehren.
Weiterlesen
-
Das System des BAT: Altersdiskriminierung durch höhere Vergütung bei höherem Lebensalter.
Weiterlesen
-
Schnell in Rente - trotz weniger Geld. Immer mehr Arbeitnehmer gehen in Frührente.
Weiterlesen
-
Das Arbeiten am Arbeitsplatz unterliegt den Ergonomie-Richtlinien der EU.
Weiterlesen
-
-
Verspätet am Arbeitsplatz durch Bahnstreik - das Wegerisiko liegt beim Arbeitnehmer.
Weiterlesen
-
Nach Langzeiterkrankung zurück in den Job? Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) erleichtert die ersten Schritte.
Weiterlesen
-
Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei privater Internetnutzung am Arbeitsplatz.
Weiterlesen
-
-
Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber meinen, eine Nebentätigkeit des Arbeitnehmers verbieten zu dürfen oder von ihrer Erlaubnis abhängig zu machen.
Weiterlesen
-
Inhalt und Umfang des Weisungsrechts - der Arbeitsvertrag bestimmt, welche Arbeitsleistung der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen kann.
Weiterlesen
-
Die gesetzlichen Grundlagen für eine Ausbildung sind im Berufsbildungsgesetz (BBiG) festgelegt.
Weiterlesen
-
Der so genannte Bereitschaftsdienst ist ein in der Öffentlichkeit immer wieder und viel diskutierter Begriff.
Weiterlesen
-
Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland ist für viele Unternehmen aufgrund der fortschreitenden Globalisierung alltäglich geworden.
Weiterlesen
-
Die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland.
Weiterlesen
-
Der neue § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) - Datenschutz im Arbeitsrecht: Viel Lärm um nichts?
Weiterlesen
-
Anspruch des Mobbingopfers auf Schadenersatz gegen den Arbeitgeber.
Weiterlesen