Rechtsprechungsänderung zur Frage der Verbindlichkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung.
Michael Regal
Das Direktionsrecht (Arbeitsort, Arbeitszeit oder Inhalt der Tätigkeit) aus § 106 Gewerbeordnung ermöglicht dem Arbeitgeber nach wie vor, die im Arbeitsvertrag rahmenmäßig umschriebenen Leistungspflichten der Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses einseitig durch Weisungen zu konkretisieren.
In seiner Entscheidung vom 22.02.2012 urteilte der 5. Senat, dass eine unbillige Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber, der diese in Ausübung seines Direktionsrechts (Arbeitsort, Arbeitszeit oder Inhalt der Tätigkeit) ausspricht, nicht nichtig, sondern nur unverbindlich nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB sei. Der Arbeitnehmer dürfe sich nicht über eine unbillige Weisung hinwegsetzen, sofern diese nicht aus anderen Gründen unwirksam ist. Aufgrund der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die Weisung vorläufig gebunden, bis die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung gerichtlich festgestellt worden sei.
Für die Praxis hatte dies zur Konsequenz, dass bis zur gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Weisung durch ein Gericht der Arbeitnehmer seine Leistung, verbunden mit dem Erhalt seines Vergütungsanspruches nicht verweigern konnte. Weiterhin drohte dem Arbeitnehmer bei Nichtbefolgung dieser Weisung, auch wenn sich später letztendlich deren Unbilligkeit herausstellte, eine Abmahnung bei Nichtbefolgen dieser Weisung und in der weiteren Folge gegebenenfalls eine verhaltensbedingte Kündigung.
Nunmehr hat der 10. Senat eine genau entgegengesetzte Auffassung vertreten. Vorab dieser Entscheidung hat der 10. Senat beim 5. Senat angefragt, ob dieser an seiner ursprünglichen Rechtsprechung gemäß dem Urteil vom 22.02.2012 festhält, was der 5. Senat im Rahmen seiner Antwort verneinte. Im Ergebnis dessen kann davon ausgegangen werden, dass die Auffassung des 10. Senates nunmehr die allgemeine Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes ist bzw. wird.
Hiernach ist von einer unverbindlichen Weisung auszugehen, welche der Arbeitnehmer, wenn diese Weisung nicht der Billigkeit entspricht, prinzipiell nicht befolgen muss. Dies hat zur Konsequenz, dass der Arbeitnehmer seine Leistungen verweigern und gleichwohl seinen Lohn verlangen kann. Auch eine Abmahnung allein wegen der Nichtbefolgung der unbilligen Weisung ist nicht möglich.
Was bedeutet dies für die Praxis?
Das Direktionsrecht aus § 106 Gewerbeordnung ermöglicht dem Arbeitgeber nach wie vor, die im Arbeitsvertrag rahmenmäßig umschriebenen Leistungspflichten der Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses einseitig durch Weisungen zu konkretisieren. Auch vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechungsänderung hält sich für Arbeitgeber die Gefahr, dass Arbeitnehmer sich nun reihenweise arbeitgeberseitigen Weisungen widersetzen werden, in Grenzen. Schließlich tragen Arbeitnehmer nach wie vor das Risiko, zu Unrecht von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und insoweit arbeitsrechtlichen Sanktionen zu begegnen.
Gleichwohl besteht für Arbeitgeber die Schwierigkeit darin, im Rahmen Ihrer Einschätzung zu beurteilen, ob die erteilte Weisung die Grenzen billigen Ermessens wahrt. Nur dann kommt der Arbeitnehmer nicht in Annahmeverzug und hat die Möglichkeit, bei Nichtbefolgung der Weisung eine Abmahnung und im Wiederholungsfalle eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Die Billigkeit eine Weisung sollte daher stets sorgfältig geprüft werden, entsprechende Bemühungen sind zu dokumentieren. Auch eine arbeitsvertragliche Ausgestaltung des Direktionsrechtes kann hilfreich sein.
Autor:
Rechtsanwalt Michael Regal
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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