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Kündigungsschutzprozess und betriebliches Eingliederungsmanagement

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) bietet immer wieder Gelegenheiten entscheidente Fehler zu machen. Oft ist schon die Einladung hierzu fehlerhaft, der bloße Hinweis auf Gesetzesvorschriften reicht grundsätzlich nicht aus. Dem Arbeitnehmer ist deutlich zu machen, dass es um seinen Arbeitsplatz und die Möglichkeiten seiner Weiterbeschäftigung in einem ergebnisoffenen Verfahren geht, in welches er auch Vorschläge einbringen kann.

In den letzten Jahren ist das betriebliche Eingliederungsmanagement (nachfolgend: „BEM“) nach § 84 Abs. 2 SGB IX zunehmend in den Fokus arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung gerückt.

Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung scheitert die krankheitsbedingte Kündigung zwar nicht an einem nicht durchgeführten BEM, die Nichtdurchführung hat jedoch Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Kündigung.

Denn grundsätzlich trägt der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten.

Sofern er zunächst vorträgt, es würden keine weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer bestehen, muss grundsätzlich der Arbeitnehmer vortragen, wie er sich seine weitere Beschäftigung vorstellt.

Wenn nun aber der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Durchführung des BEM unterlassen hat, soll er sich nach der Rechtsprechung des BAG im Bereich der Darlegungs- und Beweislast keinen Vorteil verschaffen können (BAG, NZA 2008, 1431). Er musste deshalb von vornherein vortragen, ein BEM sei objektiv nutzlos gewesen und diesbezüglich Beweis antreten. Da in jeder krankheitsbedingten Kündigung auch die Zukunftsprognose berücksichtigt werden muss, wäre daher von ihm in diesem Falle vorzutragen und unter Beweis zu stellen, dass beispielsweise über sechs Wochen hinausgehende Fehlzeiten des Arbeitnehmers in der Zukunft weder durch innerbetriebliche Maßnahmen noch durch Rehabilitation hätten verhindert werden können. Das wird dem Arbeitgeber schwerfallen.

Wesentlich leichter tut sich der Arbeitgeber demgegenüber, wenn er das BEM ordnungsgemäß durchführt, da er dann dessen negatives Ergebnis vortragen kann. Ihm gegenüber kann in diesem Falle der Arbeitnehmer Beschäftigungsmöglichkeiten, die zum Zeitpunkt der Durchführung des BEM bestanden hätten, unabhängig davon, ob sie im Rahmen des BEM behandelt wurden, nicht mehr als milderes Mittel erfolgversprechend in den Prozess einführen. Lediglich auf Beschäftigungsmöglichkeiten kann sich der Arbeitnehmer berufen, die nach Abschluss des BEM, aber vor Zugang der Kündigung, neu entstanden sind.

Erstaunlich ist, dass nach wie vor eine Vielzahl von Arbeitgebern entweder das Vorhandensein des Erfordernisses der Durchführung des BEM noch gar nicht kennen oder weiterhin schlichtweg ignorieren. Dies ist umso erstaunlicher, als die einzige Voraussetzung für die Durchführung eines BEM Fehlzeiten von insgesamt mehr als sechs Wochen innerhalb der letzten 12 Monate sind. Es kommt hinzu, dass der Arbeitgeber aufgrund der dreistufigen Prüfung krankheitsbedingter Kündigungen ohnehin die negative Zukunftsprognose, die Zumutbarkeit der Lohnfortzahlungskosten und die Interessenabwägung vorzutragen hat, weshalb sich sachlogisch bereits aus diesem Vortrag ohne Weiteres ergeben wird, dass ein BEM erforderlich gewesen wäre. Denn bei Krankheitszeiten unterhalb von sechs Wochen wird der Arbeitgeber schon krachend an der ersten Stufe der dreistufigen Prüfung des BAG scheitern.

Trotz dieser prozessualen Überlegungen herrscht in der Rechtsprechung die überwiegende Meinung, dass das Gericht von sich aus Fragen nach der Durchführung eines BEM im Prozess grundsätzlich zu unterlassen hat. Dies wird zurückgeführt auf den im arbeitsrechtlichen Urteilsverfahren geltenden Beibringungsgrundsatz, nachdem die Parteien von sich aus die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen haben. Der Arbeitgeber hätte demnach wenigstens vorzutragen, dass ein BEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Sofern der Arbeitnehmer selbst davon ausgeht, dass der Arbeitgeber ein ordnungsgemäßes BEM durchgeführt hat, wird er aus prozesstaktischen Gründen hierzu nicht vortragen, weil er sich mit einem solchen Vortrag die Berufung auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten abschneiden würde. Da die Nachfrage des Richters damit in wohlüberlegte Prozesstaktiken der Parteien eingreifen könnte, haben derlei Fragen des Gerichtes im Prozess grundsätzlich zu unterbleiben.

Es bleibt jedoch dabei, dass der Arbeitgeber nach einem unterbliebenen BEM einer erhöhten Darlegungs- und Beweislast gegenübersteht, die dazu führt, dass der Arbeitgeber von sich aus zu allen Maßnahmen, die in einem ordnungsgemäß geführten BEM abgearbeitet worden wären, Stellung zu nehmen und darzulegen hat, weshalb diese keine entscheidende Reduzierung der Fehlzeiten hätten ergeben können. Schon aufgrund der Erleichterung auf dem oft schwierigen Gebiet der fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten empfiehlt es sich jedoch im Ergebnis für jeden Arbeitgeber, nach Möglichkeit ein BEM durchzuführen.

Dabei ist darauf zu achten, dass sich auch bei Durchführung eines BEM immer wieder Fehler einschleichen und hier die Tücke im Detail liegt: So ist die Einladung hierzu oft fehlerhaft, der bloße Hinweis auf Gesetzesvorschriften reicht grundsätzlich nicht aus, vielmehr ist dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, dass es um seinen Arbeitsplatz und die Möglichkeiten seiner Weiterbeschäftigung in einem ergebnisoffenen Verfahren geht, in welches er auch Vorschläge einbringen kann. Es sind auch beteiligte Stellen, Ämter und Personen mit einzubeziehen.

Bei einem gut vorbereiteten BEM und dessen Durchführung ist jedoch im Ergebnis bei dessen negativen Ausgang auch eine personenbedingte Kündigung bei weitem nicht mehr so schwierig und teuer, wie dies ansonsten der Fall ist.

Über den Autor

RA Matthias Lehmann


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