Der Arbeitgeber ist nur dann zur Entgeltfortzahlung von 2 mal 6 Wochen verpflichtet, wenn die beiden Erkrankungen zusammen gesehen keinen sogenannten "einheitlichen Verhinderungsfall" bilden. Das ist nach aktueller Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nur dann der Fall, wenn die beiden bescheinigten Erkrankungen und damit verbundenen Arbeitsverhinderungen nicht unmittelbar aufeinander folgen oder nach Abschluss des ersten AU-Zeitraums die Erkrankung vollständig ausgeheilt ist.
Geklagt vor dem Arbeitsgericht und nach Revision durch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen vor dem Bundesarbeitsgericht hatte eine mittlerweile im Ruhestand befindliche Fachkraft in der Altenpflege. Zum juristischen Streit um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall war es über nicht erfolgte Entgeltfortzahlungen für die erneut erkrankte Arbeitnehmerin für die Zeit zwischen dem 19. Mai und dem 29. Juni 2017 gekommen. Schon zuvor war die Klägerin zwischen dem 9. und dem 25. Januar 2017 krankheitsbedingt arbeitsunfähig geschrieben worden und hatte für diese Zeit Lohnfortzahlung erhalten. Im direkten Anschluss daran befand sie sich in Erholungsurlaub bis zum 6. Februar. Im unmittelbaren Anschluss daran reichte sie wegen einer psychischen Erkrankung erneut eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein und erhielt daraufhin von ihrer Arbeitgeberin Lohnfortzahlung bis zum 20. März 2017. Unmittelbar daran anschließend reichte die Klägerin erneut ein ärztliches Attest ein und erhielt daraufhin wegen fortlaufender Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bis einschließlich 18. Mai 2017.
Wiederum unmittelbar daran anschließend, am 19. Mai 2017, unterzog sich die krankgeschriebene Arbeitnehmerin einer seit längerem geplanten OP, reichte dazu bereits am 18. Mai eine ärztliche Erstbescheinigung für Arbeitsunfähigkeit bis 16. Juni und daran anschließend eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 30. Juni 2017 ein. Genau an dieser Folgebescheinigung als Voraussetzung für weitere Lohnfortzahlung entzündete sich der anschließende Rechtsstreit. Denn vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017 erhielt die Klägerin weder eine Lohnfortzahlung durch die Arbeitgeberin noch Krankengeld von Seiten ihrer Krankenkasse. Im Juli hatte sie zum Abbau von Überstunden und wegen Urlaub gar keine Arbeitsleistung mehr erbracht und gleichzeitig mit einer psychotherapeutische Behandlung begonnen.
Ihre Klage beim zuständigen Arbeitsgericht begründete die Arbeitnehmerin als Klägerin wie folgt: Ihre Arbeitsunfähigkeit wegen einer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet. Durch die OP einen Tag später sei eine erneute Arbeitsunfähigkeit auf Grund eines völlig anderen Befundes eingetreten. Deswegen sei ab diesem Zeitpunkt für die nächsten 6 Wochen ein neuer Anspruch auf Lohnfortzahlung entstanden, da es sich um zwei unterschiedliche Erkrankungen handele. Sie forderte daher von ihrer Arbeitgeberin als Beklagter Lohnfortzahlung in entsprechender Höhe plus Zinsen. Daraufhin wies die Beklagte bzw. ihr Rechtsvertreter die Klage ab wie folgt:
Aufgrund eines anderen, gynäkologisch bedingten Leidens sei die Klägerin als Arbeitnehmerin bereits vor dem 19. Mai arbeitsunfähig gewesen. Zudem habe die fortbestehende psychische Erkrankung über den 18. März hinaus für Arbeitsunfähigkeit gesorgt. Es sei daher vom Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls auszugehen und die Pflicht zur Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber habe somit bereits am 20. März 2017 mit Ablauf der 6 Wochen geendet. Im Folgenden entschieden die Gerichte in den jeweiligen Instanzen dabei unterschiedlich: Das zuständige Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Lohnfortzahlung für die fragliche Zeit in Höhe von mehr als 3.300 Euro plus Zinsen verurteilt. Daraufhin ging die Arbeitgeberin in Revision und erhielt auch nach Zeugenbefragungen durch die behandelnden Ärzte Recht. Die Klage auf Lohnfortzahlung für den fraglichen Zeitraum wurde in 2. Instanz abgewiesen. Das daraufhin in 3. Instanz angerufene Bundesarbeitsgericht bestätigte die Abweisung der Revision ebenfalls und zwar mit folgender Begründung:
Die 6-Wochen-Frist kann nur dann durchbrochen werden, d.h. der Arbeitgeber muss bei zwei aufeinander folgenden Krankschreibungen nur dann weiter Lohnfortzahlung leisten, wenn die Arbeitsverhinderung und die damit verbundene Krankschreibung zum Zeitpunkt der erneuten Krankschreibung bereits beendet war und nicht fließend ineinander überging. Das lässt sich nach Rechtsauffassung des BAG daran ablesen, wenn zwischen den beiden Krankheiten gearbeitet wurde oder zumindest Arbeitsfähigkeit bestand. Maßgeblich dafür ist immer die Entscheidung des Arztes, ob er die Arbeitsunfähigkeit im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen wird (Arbeitstag oder arbeitsfreier Tag spielt dabei keine Rolle). Der arbeitsrechtliche Knackpunkt: Die Arbeitnehmerin als Klägerin konnte nach Auffassung des Gerichts nicht glaubhaft belegen, dass die neue Erkrankung erst dann eine erneute Arbeitsverhinderung auslöste, als die erste bereits beendet war. Die objektive Beweislast trägt dabei immer der Arbeitnehmer.
(vgl. BAG 11.12.2019; 5 AZR 505/18)
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